Kondom-Müdigkeit?

Heute flatterte mir ein (undatierter) Artikel von Praxisvita in meine Mailbox, in dem Volker Mertens von der Deutschen AIDS-Stiftung mit den Worten zitiert wird:

Wir steuern auf eine neue Unbekümmertheit zu, in der die Menschen wieder häufiger ungeschützten Sex haben.

Der Herr Mertens ist ausweislich der Website der AIDS-Stiftung allerdings nicht, wie bei Praxisvita zu lesen, „der Sprecher“, sondern fungiert als „Leiter Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising“ – er ist also derjenige, der primär für’s Geldeinsammeln zuständig ist. Kleine Nuance, aber immerhin…

Im Allgemeinen sind sich alle Experten einig, dass die Zahl der Neuinfektionen zwar (leider) nicht sinkt, aber auch nicht steigt:

Die Zahl der HIV-Neuinfektionen hat sich von Spitzenwerten Mitte der 1980er Jahre bis Ende der 1990er Jahre deutlich verringert. Von 2000 bis circa 2005 erfolgte wieder ein Anstieg der HIV-Neuinfektionen, mit einer Plateaubildung ab 2006.

… zitiert die Münchner AIDS-Hilfe das Robert-Koch-Institut. Die rhetorische Frage in der Überschrift des Praxisvia-Artikels „Sind wir alle Kondom-müde?“ kann man also getrost verneinen. Im Gegenteil, möchte man aus der Perspektive eines Kondomhändlers hinzufügen, werden Jahr für Jahr immer mehr Kondome gekauft; dies lässt sich auch in globalem Maßstab an der jährlich steigenden Kondomproduktion deutlich feststellen.
Nichtsdestotrotz freue ich mich über jeden Artikel, der pro-Kondom geschrieben ist, auch wenn mir dieser Beitrag bei Praxisvita irgendwie ein Geschmäckle hat. Man kann auch Kondome promoten, ohne immer AIDS zu rufen; ich glaube, wir sind eher der gebetsmühlenartigen AIDS-Warnungen überdrüssig als „kondom-müde“, denn Kondome können mittlerweile weit mehr als nur schützen. Davon zeugen die vielen Formen, Farben, Aromen und Extras, mit denen aktuelle Kondommarken sich schmücken.
Angstwerbung funktioniert eben irgendwann nicht mehr.

Schmiermittel? Brechmittel!

Wenn ich nicht schon genug graue Haare hätte, würde ich mir gerne noch welche wachsen lassen – angesichts solcher journalistischen Feinarbeit:

Traditionell wurde bei der Produktion von Kondomen die Zugabe von Casein, ein Protein aus Tiermilch verwendet, das als Schmiermittel wirkt.

Hier weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll… bei der Grammatik vielleicht?
-> richtig grammatisch korrekt wäre „von Casein, einem Protein aus Tiermilch, verwendet“
… oder bei der Semantik?
-> Entweder gibt man etwas zu, oder es wird verwendet.
… oder bei seltsamen Ausdrücken wie „Tiermilch“?
-> Im Normalfall bezeichnet man Kaseine allgemein als Milchproteine, konkret handelt es sich um Kuhmilch.
… oder bei Begriffen aus der falschen Branche, wie „Schmiermittel“?
-> Das, was man herstellerseitig auf Kondome drauf“schmiert“, nenn man Gleitmittel oder schlicht „Beschichtung“.

Egal. Absehen davon ist die Information schlicht falsch und irreführend. Viele Hersteller verwenden in der Tat noch Kaseine, aber diese werden nicht zugegeben (dann müssten sie auch deklariert werden), sondern nur – neben vielen anderen Dingen – als Hilfsstoff verwendet (sind also im fertigen Kondom höchstens noch als unausgefilterter Restbestand in mikroskopischer Menge enthalten), und Kasein dient auch nicht als Schmiermittel, sondern ist ein Hilfsstoff, um aus dem zähflüssigen Saft des Gummibaums (Latex) ein elastisches, dünnes Material (Gummi) herzustellen, aus dem man dann (unter anderem) Kondome machen kann. Oder Luftballons. Oder Handschuhe….

Kondome, bei deren Herstellung auf Kaseine verzichtet wird, gibt es auch, aber nicht viele. Aber hej, wer fragt schon nach korrekten Informationen, wenn man so unausgegorenen Quatsch zusammen mit einem Symbolfoto als Aufhänger für kistenweise Werbeanzeigen verwenden kann. Ach so, die Quelle: Yahoo! Finance, eine Hochburg des Qualitätsjournalismus.

Traditionell wird bei der Produktion von solchen Meldungen eine übergroße Portion Halbwissen eingesetzt, das bei mir als Brechmittel wirkt.

Der Papst so: Ich will Spaß!

Die Meldung ist so kurz, dass ich sie beinahe übersehen hätte, und außerdem schon etwas veraltet, aber trotzdem:

Kondome mit Kokain für den Vatikan abgefangen
Deutscher Zoll stellt mysteriöse Lieferung aus Südamerika sicher

…lässt sich mit Berufung auf AFP in der Welt nachlesen. Insofern nichts Besonderes, Koks wird nun mal vorzugsweise geschmuggelt und nicht per Einschreibpäckchen verschickt. Für den Vatikan bestimmt? Nun ja, auch nur Menschen. Rein statistisch gesehen muss es da auch mindestens einen schwer Abhängigen geben – war da nicht einer mit diesem Gefühl der Unfehlbarkeit? Egal. Was mich stört, sind zwei Sachen. Erstens, warum zum Kuckuck müssen es immer Kondome sein? Das ist eindeutig Kondommissbrauch, und da verstehe ich gar keinen Spaß. Und zweitens: Koks-Kondome? (C) Kondom-geplatzt.deWelches kranke Hirn hat sich diese Flugroute ausgedacht? Südamerika -> Leipzig -> Vatikan !? Ausgerechnet durch den einzigen Flughafen, wo so wenig los ist, dass die tatsächlich so gut wie alles kontrollieren können, was da durchfliegt?
Irgendwas ist da faul.

Update Mesh ergänzt: „Als Empfänger der Sendung war die Poststelle des Vatikans angegeben, keine konkrete Person. Die Drogen wurden vom deutschen Zoll in Rom einem vatikanischen Polizisten übergeben.“ Äh, wie jetzt? Leipzig? Rom? Der deutsche Zoll bringt dem Papst seinen Koks persönlich vorbei, damit unterwegs auch nichts verloren geht? Beim vatikanischen Postamt hätte sich übrigens noch niemand als Empfänger gemeldet, um die Sendung abzuholen. Hallo? Holt doch mal bitte jemand die Kokskondome ab, danke. Aber bitte vorher anrufen: +39 06 69890400 ist die Nummer vom Postamt des Papstes.

Update 2: Die Straits Times aus Singapur meldet unter Berufung auf die „Bild am Sonntag“(!): „The newspaper, citing a German customs report, said authorities handed the package with the drugs to a police officer at the Vatican with the aim of laying a trap for a culprit who might try to claim it.“ Hat wohl nicht geklappt mit dem Fallenstellen… die Vatikanesen sind nicht so doof, nee. Also probieren wir’s jetzt mit einer Verlustanzeige in der BamS? Aaaargh. Dass im Vatikan Pornos gedownloadet werden, wissen wir ja – aber jetzt liest man dort auch noch die BILD-Zeitung!?

Update 3: Die meisten Kommentatoren auf Twitter sind der Meinung, dass das Kokain nur als Tarnung für die Kondome dienen sollte… das lass ich jetzt mal so ohne Kommentar stehen.

Man muss auch mal was Neues wagen: Ritex tuts. Irgendwie so.

Wenn bisher jemand von Ritex sprach, war klar: der meint Kondome. Ganz soweit, dass Ritex schon als Synonym für „deutsches Qualitätskondom“ steht, sind wir zwar noch nicht, aber wie man mir glaubhaft versicherte, wird hart daran gearbeitet 🙂
Jedoch: was mussten meine entzündeten Augen kürzlich sehen?
ritex-steckdosen bei ALDI Süd
Ritex-Markensteckdosen. Mit Kinderschutz! Na ja, passt ja irgendwie. So ein bisschen. Also mit Schutz und gegen Kinder und so. Ähem.
(gefunden bei ALDI Süd)
Grüße nach Bielefeld. Treibts nicht zu bunt da drüben, sonst komm ich mal gucken.