Lass mal gucken

Jo, das lassen wir als „witzig“ durchgehen:

Ein Partyspiel, dass ich vorbereitet hatte, möchte ich euch nun vorstellen. Es eignet sich auch für andere Anlässe, wie beispielsweise größere Geburtstage. Denn Blümchen schenkt man doch immer gern und dies hier sind ganz spezielle Wunderblümchen die innerhalb kürzester Zeit wachsen. 😉

Man braucht Kondome (natürlich schön bunt), Brausetabletten(!?) und die üblichen Blumen-Einpflanz-Zubehörteile (Topf, Steinchen, Erde, Wasser…).
Und was dann passiert, ist unglaublich (Sorry, wollte auch mal Clickbait probieren)…
(via Kondomotheke auf Facebook)

Überhaupt kein Fun

Hatte ich schon mal erwähnt, dass ich diese „Fun-Facts“ hasse, die sich in der Regel auf irgendwelchen schnell zusammengeschusterten Websites finden, deren einziger Zweck die Generierung von Verkaufsprovisionen bei Amazon & Co ist? Ja?
Gut, das ist alles legitim – aber nichtsdestotrotz: wenigstens drauf zu achten, dass die zusammengeklitterten Versatzstücke sprachlich zueinander passen (oder gar einigermaßen – Pefektion verlangt ja keiner – korrekt sind), wäre doch ein Minimum an Aufmerksamkeit wert:

Das Kondom ist hier unkomplizierter. Um es zu kaufen braucht man kein Rezept. Es gibt sie Online, in Apotheken, Drogeriemärkten, Supermärkten, Tankstellen und Automaten.

Einzahl, Mehrzahl, Kommas, Groß-/Kleinschreibung, Präpositionen… alles wurscht, Hauptsache, es gibt Klicks. Ob die Satz-Suppe, die man da angerichtet hat, auch zusammenpasst, interessiert ja letztendlich auch nicht:

Da das Kondom nicht rezeptpflichtig ist, gibt’s auch keine Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Kostenübernahme kann aber nicht nur vom Alter, sondern auch vom Einkommen abhängen. Wer ein geringes Einkommen hat oder Sozialleistungen erhält, hat Chancen auf Kostenübernahme.

Wo war ich? Ach ja, „Fun Facts“:

Kondom heißt auf dänisch Svangerskabsforebyggendemiddel

Äh, nein. Kondom heißt auf Dänisch „kondom“. Steht auf jeder dänischen Kondompackung (nein, meine Links gehen nicht zu Amazon!) und in jedem dänischen Wörterbuch. „Svangerskabsforebyggende middel“ sind schlicht und einfach „Mittel zu Schwangerschaftsverhütung“ und umfassen natürlich mehr als nur Kondome. Ha ha ha, was für ein Fun, wie habe ich gelacht, du Dödel.

Kondome galten im ersten Weltrkieg zur Standardausrüstung der Soldaten der deutschen, britischen und französischen Armee

Na, soll ich Dir die zwei falsch zusammengesetzten Halbsätze vervollständigen? Nein? Tippfehler korrigieren? Auch nicht? Grammatik? Ach, vergiss es. Ist ja alles so dermaßen funny, ich kann gar nicht mehr aufhören mit Lachen, so sehr muss ich kotzen. Jede Armee kauft – seitdem sie als Massenprodukt verfügbar sind – Kondome in großen Mengen, so auch die Bundeswehr. Zum Beispiel für ihre in Afghanistan eingesetzten Soldaten. Oder vormals im Kosovo.

In Japan gab es Kondome aus Schildkrötenpanzern

Ja klar. Das ist so die typische halbgare und halbgelesene ShortNews oder BILD-„Information“, aber auch hier hätte ein wenig Nachdenken (und genaueres Lesen) zu der Erkenntnis führen können, dass es sich weniger als um ein Kondom als um einen hauptsächlich zu Stimulationszwecken gedachten Überzieher gehandelt hat – und solche Teile (wenngleich nicht mehr aus Hornplatten von Schildkröten) gibts es auch heute noch in jedem gut sortierten Sexshop, auch außerhalb Japans. Aber: hahaha, die Japaner, Hauptsache, man kann mal so richtig lachen, wie blöd die waren. Schuldkrötenpanzer, Hihihi. Klick, klick, da klingelt die Kasse.

Nicht mehr funny:

Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass das CE-Zeichen für Qualität steht. Das CE-Zeichen bedeutet nur, dass ein Produkt europäischen Standards entspricht, und in EU-Ländern verkauft werden darf. Über die Güte des Gummis sagt es allerdings nichts aus.

Wenn Du auch nur 5 Minuten für Recherche statt fürs Zusammenkleben von Wortmüll verwendet hättest, hätte Dir auffallen können, dass Kondome Medizinprodukte sind – bei Medizinprodukten steht das CE-Zeichen (in Verbindung mit der Nummer der Benannten Stelle) für mehr als nur den europäischen Marktzugang. Um das entsprechende Zertifikat zu erhalten, muss der Hersteller in der Tat Prüfungen und Audits über sich ergehen lassen, und zwar immer wieder. Aber das wahrscheinlich für Dich einfach zu kompliziert.
Da heute Sonntag ist, belasse ich es mal dabei. (Wen’s interessiert: Alle zitierten Texte stammen von gummi-Check.de, und der Betreiber macht für diesen Müll natürlich auch noch urheberrechtliche Ansprüche geltend:

Soweit die Inhalte auf dieser Seite nicht vom Betreiber erstellt wurden, werden die Urheberrechte Dritter beachtet. Insbesondere werden Inhalte Dritter als solche gekennzeichnet.

Ja klar. Wo ist denn der Hinweis auf Amazon im Impressum, hm? GooglePlus, Facebook, Analytics, Disclaimer noch und nöcher – nur auf den eigentlichen Zweck der Website kein Hinweis. Aber: die Impressumsseite mit dem ganzen Rechtsgedödel ist die einzige ohne grammatische oder rechtschreibliche Fehler.
Oh Mann, was habe ich gelacht. Insbesondere, da mein Adblocker alle Amazon-Angebote automatisch rausgefiltert hat, und das „uBlock“-Plugin alle anderen Datensammeldienste ebenso. Was blieb übrig? Ein nacktes WordPress mit armseligen Texten…

Zwischendurch: Rückblick

Nein, nichts persönliches, auch kein Rückblick auf ein paar Jahre Bloggen – nur ein Rückblick auf die Geschichte des Kondoms, damit niemand vor lauter Anekdoten und Merkwürdigkeiten den Überblick verliert; diesmal präsentiert von Hallie Lieberman in JStor Daily und angereichert mit ein paar lesenswerten weiterführen Literaturtipps:

Animal-intestine condoms have existed since “at least medieval times,” Bullough writes. Other scholars assert that the condom dates back even further, to tenth-century Persia. It was not until the sixteenth century that doctors began suggesting that patients use condoms to prevent diseases. The first physician to do so was the Italian doctor Gabriele Falloppio, who recommended that men wear a lubricated linen condom to guard against venereal disease.

Im Großen und Ganzen bringt der Artikel nichts Neues, aber zumindest ist es eine unaufgeregte und gut zusammengefasste Übersicht mit leicht Amerika-orientiertem Schwerpunkt (natürlich), erholsam sachlich im Gegensatz zu Klickbait-Galerien à la „10 unglaubliche Fakten über Kondome, Nr. 8 hat mich echt umgehauen“ oder so.

Geht doch.

Letzte Woche hatte ich mich doch über das Ritex-„Blog“ amüsiert (falls sich wer erinnert). Ich hatte daraufhin einen netten Mailaustausch mit der Marketingabteilung, und dann war die Geschichte erst einmal abgehakt.
Aber – es geschehen noch Zeichen und Wunder – heute gabs da mal was, was der Anfang eines Blogs werden könnte, nämlich „Mein Leben mit dem Kondom“ vom Ritex-Juniorchef (ich war mal so frech, das Titelbild zu übernehmen, möge man mir dafür die Absolution erteilen vor dem Großen Urheberrecht – es stand keine Lizenz und auch kein Urheber drunter):

Zu Zeiten meines Vaters, so wurde mir berichtet, musste das Familiengewerbe noch irgendwie mit der bereits oben erwähnten Produktion von Luftballons umschrieben werden. Zu Zeiten meines Großvaters wurde darüber sogar überhaupt nicht geredet: Das waren noch die Zeiten, wo man nach einem Haarschnitt beim Herrenfriseur wortlos eine Mark mehr als gefordert auf den Tresen legte und ebenso wortlos unter dem Tresen ein Kondom gereicht bekam.

Bitte, geht doch. Noch etwas steif in der Formulierung, aber ein guter Anfang für (vielleicht?) mehr interessante Geschichten. Ich warte dann mal auf mehr 🙂