Ein Gruß nach Rom
Ein kurzer nachösterlicher Gruß an meine katholischen Freunde in Rom:
Ein Kunst-Stück von Chris Gilmour aus dem Jahre 2004. Material: Durex, Größe: 12 x 6 x 10 cm. Foto: Marco de Palma.
Kondome sind was Feines. Meistens.
Ein kurzer nachösterlicher Gruß an meine katholischen Freunde in Rom:
Ein Kunst-Stück von Chris Gilmour aus dem Jahre 2004. Material: Durex, Größe: 12 x 6 x 10 cm. Foto: Marco de Palma.
Kehren wir doch einmal für einen Moment auf den Schauplatz des kKgK („katholische Kirche gegen Kondome“)-Krieges zurück. Derzeit nehmen die fundamentalistischen Gottesanbeter die Michael-Stich-Stiftung ins Visier. Die selbst in Katholikenkreisen umstrittene „Initiative Nie Wieder! e.V.“ hat offenbar Strafanzeige wegen “Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen” nach § 166 StGB gestellt. So sekundiert Katholisches in gewohnter Sachkenntnis:
Mit (…) Texten wie “Stoppt das Virus. Benutzt Kondome” oder “Pervers ist nur, wer kein Kondom benutzt..” wird suggeriert, daß durch die Benutzung eines Kondoms die Gefahr einer HIV-Infizierung nicht gegeben sei.
Dies ist eine bewußte, wenigstens aber grob fahrlässige falsche Aussage über die Schutz-Effektivität eines Kondoms. Diese irreführende “Aufklärung” birgt die Gefahr einer schweren Körperverletzung in sich.
Jugend gegen AIDS e.V., die jugendliche Speerspitze der angegriffenen Stifung, schießt freudig zurück; der eigentlichen Website vorgeschaltet ist ein Aufruf zur Teilnahme an der Aktion „Gott sei Dank – Kondome schützen“ (siehe Abbildung rechts).
„Kondom geplatzt“ wird Euch auch künftig über Aktuelles vom Kriegsschauplatz informieren. Richtig spannend wird es allerdings erst dann, wenn Parolen wie „Schützt das Leben – tötet Kondomhersteller/-verkäufer/-benutzer“ ausgegeben werden. Unwahrscheinlich ist es jedenfalls nicht; ähnlich militante Gruppierungen bringen ja bereits Ärzte und medizinisches Personal, die Abtreibungen vornehmen, im Namen des Lebensschutzes um.
Ja, Ihr habt richtig gelesen. Die Überschrift ist allerdings ein Zitat, und zwar aus einem Artikel auf Kath-Info, dem „Portal zur katholischen Geisteswelt“. Dort ist man nicht eben zurückhaltend, sondern ereifert sich – wie schon meine Lieblingskatholiken auf Kath.net – beispielsweise gegen „die tödliche Kontraproduktivität der Kondompropraganda“ und „die verheimlichten Gefahren von Kondomen“. Natürlich geht es, wie immer, um die in den Augen der Verfasser moralisch höherwertigen Mittel gegen AIDS – nämlich Enthaltsamkeit und Keuschheit. Kurz: No Sex, No AIDS.
Damit habe ich grundsätzlich kein Problem; der Zusammenhang ist griffig, und wenn man den Sex halt einfach sein lässt, fällt natürlich auch eine der Hauptquellen für eine HIV-Infektion weg. Die Rate der Autounfälle würde im Übrigen auch drastisch sinken, wenn man das Autofahren sein ließe – und dadurch würden (zumindest in Deutschland) sicher deutlich mehr Menschen vor dem sicheren Tod gerettet (ich habe die aktuellen Zahlen gerade nicht vorliegen, bin mir aber ziemlich sicher, dass es bei uns weit mehr Kraftverkehrstote als Geschlechtsverkehrstote gibt).
Besonders unangenehm wird es allerdings in meinen Augen, wenn jemand – wie beispielsweise der Verfasser dieses Artikels, ein gewisser René Josef Chiong Bullecer – sich nicht mehr alleine auf seine religiösen Prinzipien beruft (die ihm sicher keiner nehmen will), sondern sich gleichzig in der Mentalität eines Staubsaugervertreters übt und als Halbgott in Weiß auftritt:
Und so bin ich seit 17 Jahren im ganzen Land unterwegs, von einer Stadt, von einer Insel zur anderen – und die Philippinen haben bekanntlich 7.100 Inseln bei Flut und um 1000 mehr bei Ebbe. Da spreche ich über die tatsächlichen Gefahren von Aids und die verheimlichten Gefahren von Kondomen. Ich verkünde die Botschaft „Laßt uns gegen Aids kämpfen“ und verkaufe dabei ein Produkt: Abstinenz. Meinen Zuhörern sage ich: „Vertraut mir, ich bin Arzt.“
Einen Kondomverkäufer, der seine Kunden auf eine derart niederträchtige Weise zum Kauf seiner Produkte drängt, habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht getroffen.
Ohne Kommentar:
„Unter vatikanischer Spitzenbeteiligung“ lief Ende Mai ein „Kongress über HIV/Aids im Vatikan. Einer der prominentesten Teilnehmer ist der Medizin-Soziologe und Senior Harvard Forscher im Bereich Aids-Verhütung, Edward Green. Im Gespräch (…) wies der Fachmann erneut die verbreitete Ansicht zurück, Kondome schützten zuverlässig vor Aids.“
„Kondome werden typischerweise verwendet mit Gelegenheitspartnern oder bei Prostitution. Wenn die Kondomnutzung steigt, könnte das auf einen Zuwachs bei kommerziellem Sex hindeuten. Wir wissen heute, dass das häufige Wechseln von Sexualpartnern die Aids-Massenepidemie wie in Süd- und Ostafrika begünstigt. Die wichtigste Einzelmaßnahme gegen Aids ist also, vor dem Kontakt mit häufig wechselnden Partnern zu warnen.“ (Quelle: Radio Vatikan)
Fällt Euch was auf? Dr. Green hat nirgendwo behauptet, dass Kondome nicht schützen, wie der Titel der Meldung suggeriert. Er hat eigentlich nur darauf hingewiesen, dass Wissen, also Bildung, grundsätzlich eine bessere – weil längerfristig wirkende – Schutzfunktion hat, und dass Kondome nicht DIE alleinseligmachende Lösung des AIDS-Problems darstellen, wie manche glauben machen wollen. Aber so differenziert mag man sich in einem autoritätsbasierten System wie der katholischen Kirche natürlich damit nicht auseinandersetzen. Dr. Green vertritt seine Einstellung übrigens schon seit über zwei Jahren – neu ist das also auch nicht. Und ob es dem in der Tat renommierten Wissenschaftler gefällt, mit so einer Überschrift ausgerechnet durch den Vatikan instrumentalisiert zu werden, sei dahingestellt. So zitiert auch USA Today die Äußerungen von Dr. Green ganz anders:
Empirical evidence is increasingly showing that condoms aren’t the solution, at least in Africa where heterosexual sex among multiple partners in regular, concurrent relationships is largely to blame for HIV’s spread. It’s a different scenario than in Thailand, for example, where high-risk sex workers have driven the spread of the virus.
„I’m not anti-condom,“ Green said in an interview ahead of his speech Saturday to the conference. „They should be accessible, affordable, free. Just don’t bet the house and farm on it.“
What works in Africa, Green says, is male circumcision and reducing the number of sexual partners — in other words, changing the sexual behavior that fuels HIV’s spread.