Sieben Fakten über Kondome? Sieben mal Halbwissen!
Das ist, so scheint es, wieder einmal typisch T-Online: „Sieben Fakten über Kondome“ verspricht ein Artikel aus dem Lifestyle-Portal – aber was da geliefert wird, ist eine krude Mischung aus wiedergekäuten Pressemitteilungen und (vermutlich) Wikipedia-Schwarmintelligenz, die offenbar in kürzester Zeit zu einem „redaktionellen Beitrag“ verwurstet wurde, der es (wahrscheinlich mangels eigenen Beitrags) nicht einmal zu einer namentlichen Verfasserkennzeichnung gebracht hat. Mit Journalismus hat das Ganze jedenfalls nichts zu tun.
Warum rege ich mich eigentlich auf? Schauen wir uns doch einmal ein paar der genannten „Fakten“ an.
„In Deutschland unterstehen Kondome dem Gütesiegel der Deutschen Latex-Forschungs- und Entwicklungsgemeinschaft (DLF)“, schreibt der Autor in seinem Teaser. Abgesehen von der gar seltsamen Formulierung (wie untersteht man einem Siegel?) ist nicht nur der Name falsch (die DLF ist die „Deutsche Latex-Forschungsgemeinschaft Kondome e.V.„), sondern auch die implizierte Behauptung, deren Siegel müsse in Deutschland zwangsweise auf Kondomen verwendet werden. Dies ist nicht der Fall.
„Eine ungewollte Schwangerschaft lässt sich mit einem richtig angewendeten Pariser relativ gut vermeiden. Kondome haben einen Pear-Index von zwei bis zwölf. Allerdings sind sie weniger sicher als die Pille. Zum Vergleich: Sie hat einen Pearl-Index von 0,1.“ Ja, es ist schon schwer, so komplizierte Dinge zu begreifen. Abgesehen davon, dass es keinen Pear-Index gibt (es sei denn für Birnen), sollte man wissen, dass es im Pearl-Index zwei verschiedene Wertetabellen gibt: einmal die Typical-use failure rate, andererseits die Perfect-use failure rate. Erstere bezieht Anwendungsfehler, falsche Anwendung, Vergesslichkeit etc. mit ein (bei Kondomen auch die Verwendung überlagerter und beschädigter Ware), zweitere schließt Anwenderfehler aus. Bei typical use gibt es bei Kondomen 15%, bei perfect use sind es nur noch 2%; die Pille kommt auf 8% bzw. 0.3%.
So. Kommen wir jetzt zu den „Sieben Fakten über Kondome„:
- „Kondome bestehen aus vulkanisiertem Kautschuk.“ Stimmt – zumindest für die Kondome, auf die das zutrifft. Kondome aus Poyurethan, Poyisopren, Kunstahrzderivaten und Naturdarm scheint der Verfasser nicht zu kennen.
- „Das Material, aus dem Kondome gemacht sind, ist sehr empfindlich und kann bei falscher Lagerung brüchig werden oder reißen.“ Stimmt auch – im Prinzip. Falsche Lagerung führt nur nicht zum „Reißen“, und „brüchig“ ist wohl nicht ganz der richtige Ausdruck. Latex-Kondome (siehe hierüber Punkt 1) verlieren ihre Elastizität. Die angesprochene „Lagerung“ in der Hosentasche ist an und für sich ungefährlich; Sonneneinstrahlung und stark wechselnde Temperaturen sind gefährlicher. Statistisch gesehen geschehen aber die meisten Beschädigungen schlicht durch falsches Auspacken.
- „In der Regel können Kondome vier bis fünf Jahre gebraucht werden.“ Meiner bescheidenen Meinung nach sollte man Kondome nur ein einziges Mal verwenden .
- „Wer auf Nummer sicher gehen will, bewahrt seine Kondome im Kühlschrank auf.“ Na klar. Warum nicht gleich tiefgekühlt….
- „Achten Sie also darauf, ob L nicht passender wäre als XXL.“ Die Länge ist relativ unerheblich, die Breite ist entscheidend für den richtigen Sitz.
- „Es gibt auch Kondome für Frauen, die besonders in den USA verbreitet sind und vor HIV schützen sollen.“ So, „sollen“ sie. Warum diese zweifelnde Formulierung? Und warum „besonders in den USA“? Die gibts hierzulande auch. Und hier sind die Pearl-Index-Werte: typical use 21%, perfect use 5%.
(Doch, ich kann zählen. Einer der sieben Fakten war nicht zu beanstanden: „Wer sich nicht sicher ist, welche Größe passt, sollte im Zweifelsfall kleinere Kondome nehmen.“)
Tja, und sonst? Der Verfasser hat sich sichtlich bemüht, bei seiner Arbeit ein Synonymwörterbuch zu verwenden, und alle dort enthaltenen Bezeichnungen für „Kondom“ gleichmäßig in seinen Textschnipseln verteilt; das führt dann zu absurden Wortschöpfungen wie „Lümmeltüten für Frauen“ – die es nun wirklich nicht gibt, denn Frauen haben alles mögliche, aber gewiss keinen „Lümmel“, für den sie eine Tüte bräuchten.