Macron und die Gratis-Kondome

Frage an Sender Jerewan: Stimmt es, dass Kondome ab Januar in Frankreich gratis sind?

Antwort: Im Prinzip: ja. Nur sind es nicht alle Kondome, sondern nur welche aus der Apotheke, und auch nicht alle, die man in der Apotheke bekommen kann, sondern nur bestimmte, und auch nicht für alle, sondern nur für Jugendliche zwischen 18 und 25.

Abgesehen davon, dass „mit Ausweis in die Apotheke gehen, um sich dort Kondome zu holen“ bestimmt DER große Renner unter französischen Jugendlichen werden wird, die Presseberichten zufolge momentan ohnehin nicht ganz so verhütungsaffin sind, wird das natürlich ein Riiiieeeesenerfolg werden. Kondome auf (Kassen-)Rezept gibt es in Frankreich übrigens schon seit 2018 – da muss man aber, wie gesagt, erstmal zum Arzt. Und mehrwertsteuerbegünstigt sind sie schon weitaus länger (in Deutschland natürlich nicht). Und jüngere Menschen bleiben (wieder einmal) außen vor. Ist ja auch völlig undenkbar, dass man unter 18 schon Sex hat; Teenager-Schwangerschaften gibt es ja bekantlich nur im Ausland.

Deutschsprachige Pressemeldungen schweigen sich allerdings aus, wenn es darum geht, wie das nun konkret ablaufen soll (Schlagzeile und ein wenig allgemeines Blafasel reicht ja in der Regel für den Klick); es gäbe da also mehrere Möglichkeiten, das umzusetzen. Was mir spontan einfällt:

Variante 1: Direkte Auftragsvergabe. Praktisch gesehen, würde es bei dieser Variante zumindest einen (oder mehrere; ich muss gestehen, ich weiß nicht genau, wie das in Frankreich mit der Auftragsvergabe durch die Regierung in der Praxis aussieht, und vermute deshalb mal einfach, dass es – EU und so – ähnlich wie in Deutschland laufen wird) Gewinner dieser populistischen Maßnahme geben – nämlich den Hersteller/Importeur, der sich den 21-Millionen-Auftrag sichern würde. Es ist allerdings anzunehmen, dass es – angesichts der sehr angespannten Finanzlage des französischen Haushalts – nicht unbedingt die besten Kondome sein werden, die dann gratis abgegeben werden, sondern wahrscheinlich eher ein paar Container Billigware auch China, schließlich muss man ja auch noch ein wenig Gewinn erwirtschaften. Ob es mehrere Sorten (Größen, Farben, Texturen) zur Auswahl geben wird, darf bei diesem Modell bezweifelt werden – Erfahrungen in anderen Staaten lassen vermuten, dass die Auswahl bei staatlich gesponserten Verhütungsmittelverteilungen eher spärlich ausfallen dürfte.
Variante 2: Die praktische Umsetzung wird an die Apotheken delegiert. Wenn man den Apotheken also gestattete, selbst zu entscheiden, was man der Regierung in Rechnung stellt, wird es natürlich Vorschriften, Erlasse, Grenzen und Richtlinien geben, was geht und was nicht. Bürokratie ist auch in Frankreich die heimliche Herrscherin der Gesellschaft – und wer sich noch an die in der Apotheke einzulösenden „Maskenbezugsscheine“ erinnert, wird sich vorstellen können, dass französische Apotheker regelrecht hingerissen wären von den neuen Dokumentationspflichten, die mit Sicherheit auf sie zukommen würden.
Variante 3: Nachträgliche Abrechung bei Kranken- oder Sozialkassen. Diese Variante würde zumindest eine Vorfinanzierung seitens des Käufers nötig machen (wäre also für wirklich arme Menschen nicht hilfreich); anschließend müsste man dann seine Quittungen bei der Krankenkasse/Sozialversicheurng einreichen dürfen – und feststellen, dass doch nicht alles Gold ist, was glänzt. Wird es Obergrenzen geben für bezogene Mengen pro Monat und/oder erstattbare Preise? Wie beweist man, dass man für sich selbst gekauft hat und nicht für andere, nicht bezugsberechtigte Personen? Wieviel neue Online-Wohnzimmerkondomhändler wird es einem halben Jahr geben?

Auch Gesundheitsminister François Braun scheint von Macrons Vorstoß überrascht worden zu sein und spielt lieber Buzzword-Bingo, statt konkretes zu verkünden (Archiv):

Si les modalités de cette prise en charge restent à préciser, le ministre de la Santé, François Braun, a assuré vendredi que «ça va être très simple : un remboursement à 100 % par la Sécurité sociale», «sans ordonnance». «Un des enjeux majeurs est la santé des jeunes» dans un contexte de «reprise des infections sexuellement transmissibles (IST), qui sont une grande cause d’infertilité», a fait valoir le ministre sur BFMTV et RMC.

Ja gut, er hat „rezeptfrei“ gesagt. Das hatte Macron aber auch schon. Ob das aber alles tatsächlich helfen wird, die Anzahl der Franzosen zu reduzieren, sei dahingestellt; gerade die gesellschaftlich ganz unten stehenden Menschen sind auf alles, was „von oben“ kommt, ohnehin schlecht zu sprechen.

Heute gratis Kondome, morgen Samenspendezwang?

Die UN-Frauenrechtskonvention, zu deren Umsetzung sich Deutschland verpflichtet hat […] garantiert das Recht auf eine freie Entscheidung über die Anzahl von Kindern und den Abstand zwischen ihren Geburten.

Schöne Sache, findet die LINKE. Ich finde das im Prinzip auch gut (obwohl es schon ein paar diskussionswürdige Punkte gibt, aber nichts ist perfekt). Ich glaube aber, dass die Schlussfolgerungen, die die Fraktion der LINKEN im Bundestag daraus zieht, bzw. die Forderungen, die sie daraus ableitet, und mit denen man offensichtlich die Forderungen der Grünen nach gratis Kondomen für Geringverdiener noch toppen will, damit eben nicht rechtfertigbar sind:

Nach Meinung der LINKEN sollen nicht nur die »Pille« und Kondome, sondern auch operative Eingriffe, Zykluscomputer und zertifizierte Apps für alle gesetzlich Versicherten erstattungsfähig sein.

(Zitate aus dem Neuen Deutschland von gestern)

Das Recht auf freie Entscheidung der einen würde ja dann quasi in eine Pflicht für andere (in diesem Fall die Versicherungsbeitragszahler, oder falls zwischenzeitlich der Kommunismus ausbricht, die Hersteller) umgewandelt werden, diese Mittel und Prozeduren zu bezahlen, denn „kostenlos“ heißt ja eben nicht, dass sie nichts kosten, sondern nur, dass sie jemand anders bezahlen soll.

Im Übrigen ist die Argumentation nicht konsequent zu Ende geführt. Wenn der Wunsch der Frau nach einem Kind zum ihr passenden Zeitpukt der alles bestimmende Imperativ sein soll, dann kann es ja nicht nur darum gehen, zur Unzeit auf Fortpflanzung drängende Männer eben davon abzuhalten, sondern alle (gesetzlich versicherten) Männer müssten dann eben auch entweder zur Abgabe von Samenspenden an die (noch einzurichtenden) Samenbanken der Krankenkassen verpflichtet werden – oder es muss eine Begattungs-Taskforce aus zertifizierten Beischläfern bereitstehen, die aufkommende Befruchtungswünsche zeitnah realisieren kann (natürlich ohne dafür bezahlt zu werden), sofern der aktuelle Lebensabschnittspartner gerade nicht kann oder will. Die Frage nach den darazus resultierenden Unterhaltspflichten ist zwar noch nicht abschließend geklärt – aber wenn alle männlichen gesetzlich Versicherten über einen angemesenen freiwilligen Zwangsaufschlag zum Kassenbeitrag in einen entsprechenden Fond einzahlen, ließe sich das sicher auch regeln.

Hartzer: heute gratis Kondome – morgen Fortpflanzungsverbot?

Irgendwie geistert das Thema hier schon durchs Blog, seitdem ich hier schreibe – irgendjemand (mal dieser, mal jener, aber die Grünen sind nie weit weg) fordert immer wieder gratis Kondome für Geringverdiener:

Die Grünen im Bundestag wollen Empfängern staatlicher Leistungen wie BaföG, Hartz-IV oder Wohngeld einen kostenlosen Zugang zu ärztlich verordneten Verhütungsmitteln verschaffen. „Gleichzeitig muss auch der kostenlose Zugang zu Kondomen gefördert werden“, heißt es in einem Antrag der Fraktion.

… schreibt aktuell die MZ und beklagt die „zu teuren Verhütungsmittel“. Echt mal, jetzt. Genügend Geld für Kondome ist im Regelsatz drin, das habe ich vor Jahren schon durchgerechnet, und der Preisanstieg seitdem ist weitaus geringer ausgefallen als der für Schokolade, Zigaretten, Benzin oder eigentlich alles.

Manchmal weiß man echt nicht mehr, was man noch sagen soll. Warum tun die das? Sollen die keine Kinder mehr kriegen dürfen, oder was? Gebt ihnen gratis Kondome, und die Ausgaben für Kindergeld werden wieder sinken? Wir haben Kindergartenplätze für alle versprochen, aber es klappt nicht, also müssen wir halt die Nachwuchszahlen reduzieren?
Es gibt einige Länder, in denen man sich als Bedürftige(r) schon jahrelang gratis Kondome holen kann – nur: es bringt nichts. Gratis Kondome werden mit Sicherheit auch hierzulande die Kinderzahl von Geringverdienern NICHT wesentlich beeinflussen. Bleibt dann nur noch die staatliche Regelung der Kinderzahl – Geringverdiener maximal zwei (davon natürlich mindestens ein Mädchen, zwei Jungs wäre ja …. aber das ist ein anderes Thema), und dann je nach Gehalt etwas mehr. Vielleicht kriegt man ja auch diese Weise die Schere zwischen arm und reich wieder geschlossen – Reiche müssen je nach Vermögen mindestens soundsoviel Kinder kriegen (nötigenfalls halt adoptieren), damit verteilt sich die Erbmasse und das Vermögen der Einzelnen sinkt wieder, und Arme pflanzen sich einfach gar nicht mehr fort, dann stirbt die Armut einfach aus und alle sind gleichmäßig mittelreich…
Tja. Geliefert wie bestellt, höre ich da schon… und mit gratis Kondomen gehts los. also: Lasst es doch endlich.

Kondome gratis – ja, nein, weiß nicht?

kbgratis
Ach ja, die Journalisten. Müssen die Provinzler denn den großen „Qualitätsjournalisten“ auch schon alles nachmachen? Leute, lasst Euch gesagt sein: granz so krass sollten sich Überschrift, Untertitel und Text vielleicht doch nicht widersprechen. Auch nicht in der Bergedorfer Zeitung. Kann natürlich sein, dass Ihr da einfach nur was falsch verstanden habt – für den Fall ist hier der Link zur Bedeutung von „gratis“.