Bei Durex gehen die Lichter aus

Nein – nicht, dass jemand denkt, die geben auf, keinesfalls. Es geht vielmehr um die Umweltinitiative „Earth Hour“, bei der – als Signal zum Energiesparen – am 29. März in vielen Städten eine Stunde lang die Lichter ausgehen sollen.

Eine ungenutzte Stunde – und dazu noch im Dunkeln? Könnte man ja ins Grübeln kommen. Oder über’s Energiesparen nachdenken. Nee, geht ja mal gar nicht. Lieber… na ja. Hauptsache, man kann sich wieder mal in den Vordergrund rücken.

Durex ist kein Konzern

Daft Punkt WerbekondomManchmal kriege ich echt die Krise, wenn ich so qualitätsjournalistische Auswürfe zu lesen bekommen – insbesondere, wenn diese dann hundertfach wiedergekäut und auch noch im letzten Käseblättl irgenwo aufs Papier gerotzt oder als Bindemittel zwischen Online-Werbebannern benutzt werden. Dieser Tage geht eine „Meldung“ (ich kann das nur in Anführungszeichen schreiben, sorry) über so eine obskure Band namens Daft irgendwas durch den Online- und Raschelblätterwald, da stehen dann so Sachen wie:

  • Daft Punk & Durex bringen Kondome auf den Markt (OK!Magazin)
  • Daft Punk: Ihre Kondom-Linie wird zum Club-Hit (Klatsch-Trasch.de)
  • Daft Punk: “Get Lucky” gibt es jetzt auch als Kondom
  • „Get Lucky“ dank Daft Punk: Französisches Elektro-Pop-Duo bringt Pariser heraus (Stern)
  • Das Due Daft Punk stellt jetzt Kondome her (dpa)
  • Daft Punk verkaufen Kondome „Get Lucky“ mit Verhütungsmitteln (Pro Sieben)

(Nein, ich verlinke den Mist nicht. Sucht’s Euch selber, wenn Ihr’s braucht)
Da ist dann im „Text“ vom „Kondom-Konzern Durex“ die Rede; einen Tag vorher war es noch eine „Kondomfirma“ – dass das nur eine Marke ist, die dem US-amerikanischen Mischkonzern Reckitt-Benckiser (andere Marken: Clearasil, Calgon, Nurofen, Vanish, Finish…) gehört, ist irgendwie uninteressant. Das Ganze wird als „skurrile Geschäftsidee“ bezeichnet, die nur noch durch – man glaubt es kaum – Action-Figuren (!) überboten werden wird… und all das ist so wahnsinnig neu und phantastisch und großartig und skurril und geil und wow… Ja, Kondome mit Verhütungsmitteln, wo gibts denn sowas. Und die Zwei-Mann-Band mutiert in der Presse auch gleich zum „Hersteller“ (wenn die sich selbst als solcher bezeichnen würden, wäre das in Deutschland schon Grund für eine saftige Abmahnung).
Reality Check: Eine „eigene Kondommarke“ kann jeder herausbringen. Es gibt genügend Firmen, die direkt auf sowas spezialisiert sind (nennt sich „private label“), und so gut wie jeder Hersteller bietet das quasi als Nebenbeigeschäft mit an – genau das, was auf dem Bild zu sehen ist: ein schlichtes Werbekondom.

Wissen BILD-Leser nicht, wie ein Kondom aussieht!?

aufgeklebte KondomeNun, zumindest hat es den Anschein; warum sonst müsste BILD ein Foto derart nachbearbeiten? Ein kürzlich veröffentlichter Beitrag über die Forderung der Hamburger Grünen-Chefin nach kostenlosen Kondomen für Hartz-IV-Bezieher wurde mit einem Foto der Politikerin illustriert, auf dem sie drei Kondome zeigt – es könnte ja sein, dass jemand nicht weiß, wie die so aussehen. Damit das Ganze noch deutlicher wird (es bestünde ja sonst die Möglichkeit, dass man die viereckigen Siegelfolien mit dem deutlich sichtbaren Aufdruck „Durex“ für irgendentetwas anderes halten könnte – Schokoriegel, Dollars, Bildungsgutscheine…), hat der zuständige Realitätsverzerrer noch schnell ein Kondom außen auf die Siegelfolie draufretuschiert Durex Kondom (Sorte: Be Close, Juni 2013) Vorderseite(links im Bild ein echtes Durex-Kondom, mal schnell eingescannt). Natürlich könnte dadurch jetzt (zumindest bei Leuten, die noch nie Kondome benutzt haben – ist das die Zielgruppe der BILD?) der Eindruck entstehen, Kondome gebe es nicht hygienisch versiegelt IN einer Folie, sondern aufgeklebt AUF eine solche. Ich weiß ja, dass BILD-Leser gerne für dumm gehalten werden, und dass deswegen viele Politiker gerne in der BILD auftreten, wo sie meist unwidersprochen den größten Blödsinn ablassen können, aber manchmal… ach, vergessen wir’s.

Ich bin dafür, BILD-Redakteue mit gratis Kondomen zu versorgen. Durex, ausgepackt und augeklebt, natürlich. Vielleicht kann dann die nächste Generation Zeitungsleser wieder Vertrauen fassen in die Berichterstattung.

Bild- und Artikelquelle: www.bild.de/regional/hamburg/kondome/gratis-fuer-beduerftige-fordern-gruene-30785958.bild.html, Bild-Unterschrift: „Hamburgs Grünen-Landeschefin Katharina Fegebank (36) will Menschen mit Hartz IV bei der Verhütung helfen“, Foto: Ronald Sawatzki. Ich lasse ja in diesem Blog nicht gerne den Piraten raushängen, aber ich hoffe, der Ausschnitt ist klein genug, dass hier nicht gleich wieder eine Horde Anwälte wegen Urheberrechtsverletzung in die Spur geschickt wird, weil ich mit dem „Content-Diebstahl“ die gesamte Familie des Fotografen (der von der kleinen „Nachbearbeitung“ seines Fotos möglicherweise gar nichts weiß?) ins jahrhundertelange Elend stürze. Das veröffentlichte Bild ist 1280×720 Pixel groß, besteht also aus 921.600 Bildpunkten; der Ausschnitt ist 128×146 Pixel große, hat also 18.688 Bildpunkte, das entspricht 2% des Originalbildes. Sollte als Zitat gerade noch durchgehen.

Ach so, was wollte die Grüne da gleich noch? Ach ja: „IHRE FORDERUNG: KONDOME GRATIS. SPIRALE UND PILLE AUCH! Ein Rundum-Sorglospaket sozusagen wie es vor 2005 war, bis die Hartz-IV-Gesetze eingeführt wurden.“ Ich glaube, die Grammatik ist © BILD, die junge Frau sieht dafür zu intelligent aus. Und natürlich gab es auch vor 2005 kein Recht auf Gratiskondome. Aber hej, wen scheren schon solche kleinen Retuschen an der Realität 🙂 Schließlich stecken in dem „Artikel“ ja noch ein paar mehr.

Durex? Fail! Batman wins.

Seitdem die Marke Durex zum großen US-Konzern RB gehört, weiß dort die rechte Hand nicht mehr, was die Linke tut. Katastrophal in Auge gehende Social-Media-Kampagnen auf der einen Seite (Durex condoms‘ social media strategy goes wrong, berichtet MSN Money über eine Kampagne, die total vertrollt endete) und die „Love Ville“ Bologna auf der anderen Seite (Durex kürt Bologna zur „Loveville“: Wie man clever Kondome vermarktet) machen die Marke zu einer ziemlich unübersichtlichen Spielwiese für Werbeagenturen. Nun ja, Durex kann sich’s leisten – und offenbar steckt man das Geld lieber in Werbung als in bessere Ware (seit Jahren hat Durex noch keinen Nachfolgeproduzenten oder -produkt für die Avanti Ultima gefunden…). Ich würde mich nicht wundern, wenn die Kunden irgendwann entdecken, dass Durex-Kondome eigentlich nichts besonderes sind, sondern auch oft nur vom preiswertesten Dritt-Anbieter gefertigte Auftragsware, die zu überhöhten Preisen vertickt wird. Aber egal – es gibt ja genügend Alternativen.