Gefahr einer schweren Körperverletzung

Kehren wir doch einmal für einen Moment auf den Schauplatz des kKgK („katholische Kirche gegen Kondome“)-Krieges zurück. Derzeit nehmen die fundamentalistischen Gottesanbeter die Michael-Stich-Stiftung ins Visier. Die selbst in Katholikenkreisen umstrittene „Initiative Nie Wieder! e.V.“ hat offenbar Strafanzeige wegen “Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen” nach § 166 StGB gestellt. So sekundiert Katholisches in gewohnter Sachkenntnis:

Mit (…) Texten wie “Stoppt das Virus. Benutzt Kondome” oder “Pervers ist nur, wer kein Kondom benutzt..” wird suggeriert, daß durch die Benutzung eines Kondoms die Gefahr einer HIV-Infizierung nicht gegeben sei.
Dies ist eine bewußte, wenigstens aber grob fahrlässige falsche Aussage über die Schutz-Effektivität eines Kondoms. Diese irreführende “Aufklärung” birgt die Gefahr einer schweren Körperverletzung in sich.

Jugend gegen AIDS e.V., die jugendliche Speerspitze der angegriffenen Stifung, schießt freudig zurück; der eigentlichen Website vorgeschaltet ist ein Aufruf zur Teilnahme an der Aktion „Gott sei Dank – Kondome schützen“ (siehe Abbildung rechts).
„Kondom geplatzt“ wird Euch auch künftig über Aktuelles vom Kriegsschauplatz informieren. Richtig spannend wird es allerdings erst dann, wenn Parolen wie „Schützt das Leben – tötet Kondomhersteller/-verkäufer/-benutzer“ ausgegeben werden. Unwahrscheinlich ist es jedenfalls nicht; ähnlich militante Gruppierungen bringen ja bereits Ärzte und medizinisches Personal, die Abtreibungen vornehmen, im Namen des Lebensschutzes um.

Gefährlich: Ignorante Besserwisser im Richteramt

Dass Kondome vor Ansteckungen schützen (wenn man sie richtig verwendet), weiß doch eigentlich heutzutage auch in Österreich jeder. Es hat sich ja sogar schon bis zum dortigen Obersten Gerichtshof herumgesprochen, dass man auch mit AIDS straffrei Sex haben kann, wenn man sich entsprechend schützt – und das war bereits 1997.
Nun hat es in Kärnten (einem bekanntermaßen recht konservativem Eckchen unseres schönen Nachbarlandes) einen 17jährigen erwischt – „es“ ist das Gesetz in Gestalt von Richter Dr. Othmar Kraft, der dem HIV-positiven jungen Mann drei Monate auf Bewährung aufgebrummt hat, weil er ungeschützten Oralverkehr mit seiner Freundin hatte.

„Ich dachte, wenn sie keine größere Wunde im Mund hat, kann nichts passieren“, sagte er dem Richter.
Das entspricht im Wesentlichen auch den derzeitigen Safer-Sex-Regeln der österreichischen Aidshilfen. Diese sehen bei Oralsex nur vor, dass man nicht in den Mund ejakulieren soll.

So meldete GGG.at vorgestern. Der Hammer ist jedoch:

Doch auch mit der Verwendung eines Kondoms hätte der 17-Jährige das Gericht in Feldkirch nicht straffrei verlassen: „Auch wenn ein Kondom verwendet worden wäre, würde dies nichts an der Strafbarkeit ändern“, erklärte Richter Othmar Kraft. Ein Ansteckungsrisiko bestehe nämlich auch bei Verwendung von Präservativen, so der Richter.

Einen Tusch für den weisen Richter! Und ab mit ihm ins Mittelalter…

Der erfolgreiche Kampf der Kirche gegen AIDS

Ja, Ihr habt richtig gelesen. Die Überschrift ist allerdings ein Zitat, und zwar aus einem Artikel auf Kath-Info, dem „Portal zur katholischen Geisteswelt“. Dort ist man nicht eben zurückhaltend, sondern ereifert sich – wie schon meine Lieblingskatholiken auf Kath.net – beispielsweise gegen „die tödliche Kontraproduktivität der Kondompropraganda“ und „die verheimlichten Gefahren von Kondomen“. Natürlich geht es, wie immer, um die in den Augen der Verfasser moralisch höherwertigen Mittel gegen AIDS – nämlich Enthaltsamkeit und Keuschheit. Kurz: No Sex, No AIDS.
Damit habe ich grundsätzlich kein Problem; der Zusammenhang ist griffig, und wenn man den Sex halt einfach sein lässt, fällt natürlich auch eine der Hauptquellen für eine HIV-Infektion weg. Die Rate der Autounfälle würde im Übrigen auch drastisch sinken, wenn man das Autofahren sein ließe – und dadurch würden (zumindest in Deutschland) sicher deutlich mehr Menschen vor dem sicheren Tod gerettet (ich habe die aktuellen Zahlen gerade nicht vorliegen, bin mir aber ziemlich sicher, dass es bei uns weit mehr Kraftverkehrstote als Geschlechtsverkehrstote gibt).

Besonders unangenehm wird es allerdings in meinen Augen, wenn jemand – wie beispielsweise der Verfasser dieses Artikels, ein gewisser René Josef Chiong Bullecer – sich nicht mehr alleine auf seine religiösen Prinzipien beruft (die ihm sicher keiner nehmen will), sondern sich gleichzig in der Mentalität eines Staubsaugervertreters übt und als Halbgott in Weiß auftritt:

Und so bin ich seit 17 Jahren im ganzen Land unterwegs, von einer Stadt, von einer Insel zur anderen – und die Philippinen haben bekanntlich 7.100 Inseln bei Flut und um 1000 mehr bei Ebbe. Da spreche ich über die tatsächlichen Gefahren von Aids und die verheimlichten Gefahren von Kondomen. Ich verkünde die Botschaft „Laßt uns gegen Aids kämpfen“ und verkaufe dabei ein Produkt: Abstinenz. Meinen Zuhörern sage ich: „Vertraut mir, ich bin Arzt.“

Einen Kondomverkäufer, der seine Kunden auf eine derart niederträchtige Weise zum Kauf seiner Produkte drängt, habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht getroffen.

Bis hierher – und noch weiter…

Unter diesem Motto läuft dieser Tage (04. – 06. November 2011) die Präventionskonferenz der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. im Ludwig Erhard Haus in Berlin.

Bis Sonntagmittag befassen sich rund 200 Expertinnen und Experten aus Aidshilfen, Selbsthilfezusammenhängen und Wissenschaft mit der aktuellen Situation in Deutschland und den Herausforderungen der Zukunft. (…) 30 Jahre nach der ersten öffentlichen Erwähnung von HIV ist die Bilanz der HIV-Prävention in Deutschland erfreulich. Das Schutzverhalten ist stabil, die Neuinfektionszahlen steigen seit einigen Jahren nicht mehr und liegen niedriger als in fast allen anderen mitteleuropäischen Ländern. Zugleich steht die Prävention vor neuen Herausforderungen.

So steht es in der Pressemitteilung der DAH von gestern. Detaillierte Informationen zur Tagesordnung und den Schwerpunkten finden sich unter www.Praeventionskonferenz2011.de.