Schrecklich wichtig

Lieber Kondomgeplatzt Robert,

Ich habe erfolglos versucht, Sie zu erreichen. Bitte versuchen Sie, auf diese E-Mail zu antworten. Es ist schrecklich wichtig, dass wir per E-Mail kommunizieren, damit ich Ihnen alle Einzelheiten darüber mitteilen kann, warum ich bereits versucht habe, Sie zu kontaktieren.

Ich warte auf Ihre schnelle Antwort.

Grüße.
Dr. Matthew Opoku Prempeh

Yo, Matthew, was geht?
Keep cool man, du warst nicht erfolglos, denn er du hast mich ja erreicht (wie man sieht), also krieg dich wieder ein. Und nein, ich werde nicht versuchen, auf diese Mail zu antworten; irgendwie rutscht mir dabei immer der Mittelfinger ab und am Ende des Tages quillt der Papierkorb über, und ich HASSE zuviel Abfall. Umwelt und so.
Und wenn es so wichtig ist, per Mail zu kommunizieren, warum zum Dackel schreibst du nicht einfach, worum es geht? Hm? Wieviel Millionen sind es diesmal? Überweis mir doch einfach den Schotter und gut ists. Jedes Mal dieses Rumgeeiere…

Verhütung per Eierkocher

Es gibt ja schon einige, hm, interessante Ansätze, wie man Verhütung für Männer schwieriger gestalten könnte – von Facebook als Verhütungsmittel über Spezialunterhosen bis zur Verhütungs-App usw. – aber der Eierkocher als Verhütungsmittel war mir neu, und ich hätte ihn wohl auch gar nicht ernst genommen, wenn er mir nicht von einem aufmerksamen Leser vor einiger Zeit ans Herz gelegt worden wäre. MyUterus berichtete über „COSO: Die neue Verhütung für den Mann?“ (Archiv):

COSO ist ein neuer Verhütungsansatz, der hormonfrei, reversibel und von Zuhause aus anwendbar ist.

Cool, könnte man denken. Neu ist immer cool. Aber Fehlanzeige – nicht cool, sondern eher hot, denn das Grundprinzip besteht darin, die Hoden in einer Art kleinem Ultraschall-Töpflein (kennt Ihr vielleicht für die Reinigung von Kleinteilen – Brillen, Uhren, …) vorübergehend funktionsunfähig zu kochen:

Im Nutzungsablauf füllt der Anwender Wasser bis zur angegebenen Markierung in das Gerät. Die exakte Wasserfüllhöhe wird gemeinsam mit einem Arzt entsprechend der individuellen Hodengröße vorab eingestellt. Das Wasser dient als Medium zur Ultraschallwellenübertragung an das Hodengewebe und wird vom Gerät vorab auf Betriebstemperatur erwärmt. Anschließend setzt sich der Nutzer breitbeinig auf eine ebene Oberfläche, stellt das Gerät zwischen die Beine und legt die Hoden hinein. Über einen Druckknopf wird der Ultraschall für wenige Minuten gestartet. Die verbleibende Zeit kann in der COSO-App in Echtzeit eingesehen werden. Nach der Behandlung schaltet sich das Gerät automatisch ab. Die Anwendung wird in regelmäßigen Abständen wiederholt.

Wie gesagt… nichts scheint unmöglich, wenn es darum geht, Männern Verhütung zu erschweren.
Was, möchte man rufen, während man sich sich fazialpalmiert, habt Ihr nur alle für ein Problem? Was ist an dem Prinzip „Kondom“ falsch? Es funktioniert. Es ist einfach, preiswert, hormonfrei, greift nicht in die Körperchemie ein, ist recyclebar und jederzeit absetzbar. Man braucht weder Arzt noch App, keinen Stromanschluss und kein Internet.
Also, ja, wer das unterstützen will, hier ist die Website (Archiv), aber der „new way of male contraception“ enthält eigentlich – wie könnte es anders sein – nach wie vor nur Spendenbettelei („We need your support – We need clinical partners and investment for human studies.“); man braucht also Leute, die sich ihre Hoden ultrabeschallen (beultraschallen?) lassen wollen. Für die Wissenschaft, versteht sich.
Wer sein Geld nicht zum Fenster rauswerfen will, sondern einfach nur gepflegt und verantwortungsvoll verhüten möchte, kann ja weiter Kondome kaufen. Ganz altmodisch.

Ein qualifiziertes Konservierungsmittel garantiert eine sichere Beziehung.

Das ist doch mal ein Wort.
OK, ein Satz.
Der ist zwar grammatisch korrekt, aber trotzdem… Wie konserviert man eigentlich eine Beziehung? Ich meine, wo muss man das Konservierungsmittel auftragen, und was unterscheidet ein qualifiziertes von einem unqualifizierten Konservierungsmittel? Fragen über Fragen. Auf sinnenreize.de (Archiv) kann ich zwar gleich 25 x 144 Einheiten Konservierungsmittel kaufen („Unilatex-Konservierungsmittel stehen für hohe Qualität. Mit Qualitätskontrolle zertifiziert nach ISO 4074. Eigenschaften: Glatt und geschmiert.“), aber Antworten finde ich dort auch wohl keine…
Nun ja, die Spanier. Das sind die, die ihre Produkte gerne mittels Google Translator in ganz Europa vertreiben und sich dann wundern, warum es mit den Umsätzen nicht so klappt. Zu dumm, dass „preservativo“ hier eigentlich mit „Kondom“ übersetzt werden müsste, aber über solche Kleinigkeiten ist man unter der heißen Sonne des Mittelmeerstrandes wohl erhaben. „Bürgerliche Kategorien“, würde mit einem verächtlichen Ton das Känguru sagen, „alles nur bürgerliche Kategorien“.
Noch mehr Spanier? Bitte:

Schmierung: Geschmierter Erdbeerduft (Confortex via Orgaxx, Archiv)

Vergewissert sich, dass das Kondom nicht zerbrochen ist (mit Wasser füllen und auf den Vorratsbehälter drücken), binden Sie es und werfen Sie es in den Mülleimer, niemals auf die Toilette oder auf die Straße (denken Sie daran, dass Kondome nicht biologisch abbaubar sind). Verwenden Sie für jeden Geschlechtsverkehr ein neues Kondom oder jede sexuelle Praxis wird geändert. (Confortex via Fesselliebe, Archiv)

Verlängertes Vergnügen verzögert 12 Einheiten (Durex via Loveshop.lu, Archiv)

Dass man über solche Produkttexte bei Amazon oder anderen international aufgestellten Plattformen ständig stolpert – geschenkt. Die freidrehende Amazon-KI erachtet wohl solche kryptischen Beschreibungen als höherwertig, und die Händler haben das hinzunehmen. Aber dass einzelne Shops sich das auch antun und den kompletten Feed eines ausländischen Lieferanten maschinell übersetzt und ungeprüft übernehmen, lässt mich an der Ernsthaftigkeit dieser „Unternehmer“ doch zweifeln.

Macron und die Gratis-Kondome

Frage an Sender Jerewan: Stimmt es, dass Kondome ab Januar in Frankreich gratis sind?

Antwort: Im Prinzip: ja. Nur sind es nicht alle Kondome, sondern nur welche aus der Apotheke, und auch nicht alle, die man in der Apotheke bekommen kann, sondern nur bestimmte, und auch nicht für alle, sondern nur für Jugendliche zwischen 18 und 25.

Abgesehen davon, dass „mit Ausweis in die Apotheke gehen, um sich dort Kondome zu holen“ bestimmt DER große Renner unter französischen Jugendlichen werden wird, die Presseberichten zufolge momentan ohnehin nicht ganz so verhütungsaffin sind, wird das natürlich ein Riiiieeeesenerfolg werden. Kondome auf (Kassen-)Rezept gibt es in Frankreich übrigens schon seit 2018 – da muss man aber, wie gesagt, erstmal zum Arzt. Und mehrwertsteuerbegünstigt sind sie schon weitaus länger (in Deutschland natürlich nicht). Und jüngere Menschen bleiben (wieder einmal) außen vor. Ist ja auch völlig undenkbar, dass man unter 18 schon Sex hat; Teenager-Schwangerschaften gibt es ja bekantlich nur im Ausland.

Deutschsprachige Pressemeldungen schweigen sich allerdings aus, wenn es darum geht, wie das nun konkret ablaufen soll (Schlagzeile und ein wenig allgemeines Blafasel reicht ja in der Regel für den Klick); es gäbe da also mehrere Möglichkeiten, das umzusetzen. Was mir spontan einfällt:

Variante 1: Direkte Auftragsvergabe. Praktisch gesehen, würde es bei dieser Variante zumindest einen (oder mehrere; ich muss gestehen, ich weiß nicht genau, wie das in Frankreich mit der Auftragsvergabe durch die Regierung in der Praxis aussieht, und vermute deshalb mal einfach, dass es – EU und so – ähnlich wie in Deutschland laufen wird) Gewinner dieser populistischen Maßnahme geben – nämlich den Hersteller/Importeur, der sich den 21-Millionen-Auftrag sichern würde. Es ist allerdings anzunehmen, dass es – angesichts der sehr angespannten Finanzlage des französischen Haushalts – nicht unbedingt die besten Kondome sein werden, die dann gratis abgegeben werden, sondern wahrscheinlich eher ein paar Container Billigware auch China, schließlich muss man ja auch noch ein wenig Gewinn erwirtschaften. Ob es mehrere Sorten (Größen, Farben, Texturen) zur Auswahl geben wird, darf bei diesem Modell bezweifelt werden – Erfahrungen in anderen Staaten lassen vermuten, dass die Auswahl bei staatlich gesponserten Verhütungsmittelverteilungen eher spärlich ausfallen dürfte.
Variante 2: Die praktische Umsetzung wird an die Apotheken delegiert. Wenn man den Apotheken also gestattete, selbst zu entscheiden, was man der Regierung in Rechnung stellt, wird es natürlich Vorschriften, Erlasse, Grenzen und Richtlinien geben, was geht und was nicht. Bürokratie ist auch in Frankreich die heimliche Herrscherin der Gesellschaft – und wer sich noch an die in der Apotheke einzulösenden „Maskenbezugsscheine“ erinnert, wird sich vorstellen können, dass französische Apotheker regelrecht hingerissen wären von den neuen Dokumentationspflichten, die mit Sicherheit auf sie zukommen würden.
Variante 3: Nachträgliche Abrechung bei Kranken- oder Sozialkassen. Diese Variante würde zumindest eine Vorfinanzierung seitens des Käufers nötig machen (wäre also für wirklich arme Menschen nicht hilfreich); anschließend müsste man dann seine Quittungen bei der Krankenkasse/Sozialversicheurng einreichen dürfen – und feststellen, dass doch nicht alles Gold ist, was glänzt. Wird es Obergrenzen geben für bezogene Mengen pro Monat und/oder erstattbare Preise? Wie beweist man, dass man für sich selbst gekauft hat und nicht für andere, nicht bezugsberechtigte Personen? Wieviel neue Online-Wohnzimmerkondomhändler wird es einem halben Jahr geben?

Auch Gesundheitsminister François Braun scheint von Macrons Vorstoß überrascht worden zu sein und spielt lieber Buzzword-Bingo, statt konkretes zu verkünden (Archiv):

Si les modalités de cette prise en charge restent à préciser, le ministre de la Santé, François Braun, a assuré vendredi que «ça va être très simple : un remboursement à 100 % par la Sécurité sociale», «sans ordonnance». «Un des enjeux majeurs est la santé des jeunes» dans un contexte de «reprise des infections sexuellement transmissibles (IST), qui sont une grande cause d’infertilité», a fait valoir le ministre sur BFMTV et RMC.

Ja gut, er hat „rezeptfrei“ gesagt. Das hatte Macron aber auch schon. Ob das aber alles tatsächlich helfen wird, die Anzahl der Franzosen zu reduzieren, sei dahingestellt; gerade die gesellschaftlich ganz unten stehenden Menschen sind auf alles, was „von oben“ kommt, ohnehin schlecht zu sprechen.