Langlebig und leicht zu reinigen

Johoho, und ’ne Buddel voll Rum – dabei ist doch erst morgen Silvester. Aber bei so was muss ich meine aufkeimende Aggressivität dann doch mit etwas stärkerem bekämpfen:

Die Durex-Love-Collection ist also langlebig und leicht zu reinigen!? Gut, was das langlebig angeht – 31 Kondome können theoretisch schon ein paar Jahre reichen (oder aber auch nur ein paar Tage, hmnja) – mag ich mich ja noch anschließen, aber „leicht zu reinigen“?
Meine erste Reaktion auf diese Meldung in meinem Google Alert war nach einem kurzen Blick auf das Snippet „Ey, Durex, habt Ihr einen unwissenden Praktikanten auf Euren Shop losgelassen!?“, aber dann musste ich feststellen, dass da zwar „Durex-Shop“ steht, der Link aber mitnichten zu Durex geht; die können also nichts dafür. Der Link geht zu einem seltsamen „Shop“ ohne Impressum mit teil französischen Texten (zu AGB, Rückgabe und Datenschutz), die sich auf ganz andere Domains beziehen und in denen nirgends Angaben zum Betreiber zu finden sind. Es gibt auch keine Widerrufsbedingungen nach geltendem Standard, und Zahlungen nur im Voraus. Da sollten alle Alarmglocken klingeln. Die URL ist www.condomsselling.com (und nein, ich verlinke das hier nicht); wer sich das also antun will, ist gewarnt.

Auf die Ohren, fertig, los!

Zum Jahresende gibts mal was auf die Ohren – und zwar eine Podcast-Folge mit dem Titel Julius Fromm, oder: Wie die Nazis ein Kondom-Imperium an sich rissen (51 MB, 37 min.):

„Fromms zieht der Edelmann beim Mädel an“, sang man in den 1930ern im Kabarett. Was man später nicht mehr wahrhaben wollte ist, dass der Mann, der die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten an der Front und gezielte Familienplanung ermöglichte, ein Jude war.

„Der Mann, der die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten … ermöglichte“ ist natürlich haargenau daneben gegriffen. Das kommt davon, wenn man bei den Verben zu sparsam ist 🙂 Nichtsdestotrotz: Lasst Euch von dem etwas martialischen Intro und den zu deutlich hörbaren Schnittpausen nicht stören und hört mal rein.

Wir brauchen ein Sondervermögen

Gestern hatte ich ja noch gelästert, dass die Schweiz für das Projekt „Verhütungsmittel kostenlos für alle“ ein Sondervermögen lockermachen müsste; und heute lese ich, dass es auch bei uns Bestrebungen in diese Richtung gibt. Die sind zwar von den Forderungen her nicht ganz so umfangreich – aber wenn man bedenkt, was selbst einfachste Projekte in dieser unserer Bundesrepublik so für Geld verschlingen, so können wir uns dafür das nächste Sondervermögen bereitlegen (schließlich haben wir ja eine „Notlage“, da sind neue Schulden ja kein Problem):

Die Bundesregierung hat sich im aktuellen Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass es Krankenkassen ermöglicht werden soll, Verhütungsmittel als Satzungsleistung zu erstatten. Insbesondere bei Geringverdiener*innen sollen die Kosten übernommen werden. Die Bundesregierung kündigte ebenfalls an, die Forschungsförderung für Verhütungsmittel für alle Geschlechter anzuheben. Zur Halbzeit der Legislatur wurde bislang keines der genannten Vorhaben verwirklicht.

So ist es unter dem Titel Verhütung ist Menschenrecht! (Archiv) zu einer „Dokumentation der Paritätischen Fachtagung zur Kostenfreiheit von Verhütungsmitteln“ zu lesen. Das verlinkte PDF-Dokument (Archiv) erläutert Näheres und ist – im Vergleich zur der Schweizer Initative von gestern – zwar auf den ersten Blick etwas realistischer, was die geforderten Kostenübernahmen angeht, in der Konsequenz wird jedoch auch wieder „alles muss bezahlt werden“ gefordert:

pro familia fordert […] den Rechtsanspruch für alle Menschen und präzisiert: Die Kostenübernahme für alle Verhütungsmittel und -methoden zur Familienplanung für alle Menschen sollen über die Krankenkassen sichergestellt werden. […] Insbesondere Menschen mit wenig Geld sind auf eine schnelle gesetzliche Lösung angewiesen. Aufgrund dieser Dringlichkeit auch im Sinne der sozialen Gerechtigkeit fordert pro familia deshalb in einem ersten Schritt, den Rechtsanspruch auf kostenfreien Zugang zu allen Verhütungsmitteln für Menschen mit wenig Einkommen zu garantieren.

Nun ja. Seufz. Über Gratis-Kondome habe ich schon viel geschrieben. Und zu Leuten, die alles und jedes „vom Staat“ (also von meinen Steuern) bezahlt haben wollen, habe ich auch eine dedizierte Meinung. Erinnert sich noch jemand an den großen Aufriss, als es um die Mehrwertsteuersenkung für Periodenprodukte ging? Was das alles an finanziellen Freiheiten für die Frauen bringen würde? Nein? Und Gratis-Tampons für alle, die sich als Frau identifizieren? Auch nicht?
Um das noch einmal klarzustellen: Ich habe nichts gegen gratis Kondome für Geringverdiener. In anderen Ländern kann man sich auch einfach welche „holen“, wenn man sich keine leisten kann (bei uns geht das auch, man muss halt nur wissen, wo – denn „einfach“ geht bei uns nicht). Die Kosten für die öffentliche Hand sind überschaubar und kalkulierbar. Aber alles für alle? Nope. Recht auf Wohnraum heißt ja auch nicht „Villen für jeden“. Der Staat kann (und muss) für die, um die er sich kümmern muss, die Grundlagen sicherstellen und nicht eine Rundum-Vollversorgung anbieten. Zum Verhüten sind einfache Kondome im Normalfall vollkommen ausreichend (und einfach anzuwenden, sicher, nebenwirkungsfrei, non-invasiv… aber ich wiederhole mich).

Gratis Kondome jetzt auch in der Schweiz?

Na, das wird doch bestimmt wieder genau so ein Riesen-Erfolg wie in Frankreich (wenn es denn dazu kommt). SwissInfo (Archiv) und andere Organe melden jedenfalls: „In Genf sollen Verhütungsmittel für alle Menschen kostenlos werden.“ (na ja, zumindest wird das gefordert. Weiter ist man noch nicht):

Dies fordert eine von der SP lancierte kantonale Gesetzesinitiative. Das Gesetz wäre eine Premiere in der Schweiz. Die SP reichte die Initiative mit 6731 Unterschriften, 1200 mehr als nötig, ein, wie die Partei am Mittwoch mitteilte. Die Initiative solle es jeder Person ermöglichen, ihre Verhütungsmittel ohne wirtschaftlichen Zwang zu wählen. Die Initiative war im Rahmen der Kampagne für die eidgenössischen Wahlen lanciert worden. Sie fordert, dass künftig der Staat alle Kosten für Verhütungsmittel übernimmt.

Nun ja. Fordern kann man viel. Letzlich wird es darauf hinauslaufen, dass es ein, zwei Sorten Kondome für umme geben wird, die aber keiner haben wollen wird (weil: kostet nichts = taugt nichts), and alles geht weiter wie vorher. Und wieder wird Geld ausgegeben, ohne dass es was bringt.

Die Kostenfreiheit werde auch einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Gesamtkosten des Gesundheitswesens haben

Ach. Wer hätte das gedacht. Und nochmal: Ich halte es für absolut unrealistisch, dass irgend ein Staat alle Kosten für alle Verhütungsmittel übernehmen wird. Das wäre ein Fass ohne Boden und – zumindest bei uns – ein Fall für ein milliardenschweres „Sondervermögen“. Von den Schwierigkeiten, so etwas so organisieren und abzurechnen, will ich gar nicht erst anfangen.

Zahlreiche Studien belegten, dass die Kostenfreiheit von Verhütungsmitteln das Risiko ungewollter Schwangerschaften und damit auch von Schwangerschaftsabbrüchen verringere.

Diese „zahlreichen Studien“ mal zu verlinken, ist natürlich für ein Onlinemedium eine unlösbare Aufgabe. Tatsache ist, dass die Verwendung von Verhütungsmitteln die entsprechenden Risiken verringert; und zwar unabhängig davon, was sie gekostet haben und wer sie bezahlt hat.

Viele Frauen verzichteten aus Kostengründen auf die wirksamsten Methoden wie die Spirale.

Nun ja. Was die Wirksamkeit angeht, gibt es den Pearl-Index, auf dem steht die Spirale in der Tat besser da als das Kondom (Sterilisation aber auch). Aber ob „Kostengründe“ das entscheidende Kriterium sind, vermag ich nicht zu sagen (Details zu den Kosten und Verfahren bei Pro Familia), halte Frauen aber generell nicht für so einfältig, dass die teurere Methode auch die bessere sein muss. Sehr viele Frauen haben meiner Ansicht nach eher gewisse Vorbehalte gegenüber der Zuführung von Hormonen; dass das für die Körperchemie nicht immer so ideal ist, ist bekannt (Archiv):

Häufige Nebenwirkungen der Hormonspirale sind Störungen der Menstruationsblutung. Und zwar sowohl Zwischenblutungen in den ersten Monaten nach dem Einsetzen als auch das Ausbleiben der Periode, weil das Levonorgestrel den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut unterdrückt. Andere häufige Nebenwirkungen sind zum Beispiel: Abstoßen der Spirale, Schmerzen im Unterleib, depressive Verstimmungen und Eileiter-Zysten. Frauen, die noch keine Kinder bekommen haben, haben öfter Probleme mit der Spirale als Frauen, die bereits Kinder geboren haben.

Kondome sind halt immer noch das einfachste, kostengünstigste und am wenigsten invasive Verfahren zur Empfängnisverhütung (OK, auf Platz 2 nach „gar kein Sex“). Und sie schützen auch gegen sexuell übertragbare Infektionen, das bringen die „besseren“ Verhütungsmittel alle nicht (hatte ich schon erwähnt, dass Kondome eigentlich auch keine Nebenwirkungen haben?). Wer also wirklich auf Nummer sicher gehen will, für den wird – gerade bei wechselnden Partnern – eine Spirale genau so wenig ausreichen wie die Pille.
Eigentlich weiß man das ja in der Schweiz auch schon 🙂