Kein Beweismittel mehr

Wie letzte Woche aus New York zu hören war, sollen unbenutzte Kondome, die Menschen bei sich führen, dort nicht mehr als Beweismittel dafür verwendet werden, dass ebenjene Menschen Prostituierte sind.

They would no longer consider unused condoms seized from suspected prostitutes and sex traffickers as evidence. […] Although carrying condoms is legal in New York, police have treated them as evidence of probable cause when making arrests in prostitution cases.

… meldet Reuters via Yahoo!news. Den letzten Satz muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. „Obwohl es in New York legal ist, Kondome mit sich zu führen…“ Das klingt doch schon sehr verrucht. Ist doch klar – wer schon Kondome dabei hat, MUSS ja Sexarbeiter sein. Gute, aufrichtige, patriotische Amerikaner tun so etwas nicht. No Sir.
Pikanterweise ist der Artikel mit einer Grabbelschüssel kostenloser Kondome illustriert, wie sie in AIDS-Beratungsstellen in New York zu erhalten sind. Mutig, mutig. Kondome sind zwar legal, aber….

Stimmt nicht? Egal, Hauptsache Werbung.

Seit einiger Zeit versucht die Firma Origami Condoms verzweifelt Interesse für ihr neues Produkt zu erregen, aber irgendwie scheint sich niemand so richtig dafür zu interessieren – die Begeisterung der potentiellen Nutzer hält sich in Grenzen. Wie gerufen kommt da Michael Douglas mit seiner Oralsex-Story, die seit ca. zwei Wochen in dieser oder jener Form durch die Medien geistert und mit der der alternde Hollywoodstar wohl noch einmal so richtig medial durchgewurstelt werden soll.
Kein Wunder also, dass die zwei Stories irgendwann zusammen finden.
So schreibt Woman.at, beim Origami-Kondom handele es sich um das weltweit erste spezielle „Blowjob-Kondom“:

„Das liegt daran, dass das für Kondome verwendete Latex einen furchtbar unangenehmen Geruch und Geschmack hat,“ so Danny Resnic von der US-Firma Origami Condoms. Dazu komme die ungünstige Passform eines herkömmlichen Kondoms, das beim Blowjob häufig verrutscht. Die Forschungsabteilung von Origami Condoms arbeitet deshalb an der Entwicklung des ersten Kondoms speziell für den Oralverkehr. Dieses wird aus ultradünnem, vor allem aber geschmacks- und geruchsneutralem Silikon hergestellt und in seiner Form anatomisch an die Spezial-Nutzung per Mund angepasst.

Nun ja. Erstens gibt es bereits latexfreie Kondome, die das Problem des „furchtbar unangenehmen Geruchs“ obsolet machen, zweitens ist eine „Passform“ eben gerade nicht ungünstig, weil sie nämlich – wie der Name sagt – passend ist, und drittens … wie soll eine „anatomisch an die Spezialnutzung per Mund“ angepasste Form denn aussehen? So zick-zack-gefaltet wie auf der Herstellerwebsite? Sorry, wenn ich da mal kichern muss; zu den Mündern, die sich so kenne, kann ich da keine anatomisch passende Verbindung hestellen.
Dort findet sich übrigens nicht ein einziger Hinweis, dass man an einem Blowjob-Kondom arbeite – die Rede ist von „male“, „female“ und „anal“. So schlecht kann Eurer Englisch doch eigentlich nicht sein, oder? Ach, und liebe Woman.at-Qualitätsjournalistinnen: „Unterstützt wird das Projekt durch die Stiftung von IT-Millionär Bill Gates“ stimmt nicht. Origami hat sich für das ausgelobte Preisgeld von Old Bill beworben, wie viele andere auch. Mehr nicht.

Durex? Fail! Batman wins.

Seitdem die Marke Durex zum großen US-Konzern RB gehört, weiß dort die rechte Hand nicht mehr, was die Linke tut. Katastrophal in Auge gehende Social-Media-Kampagnen auf der einen Seite (Durex condoms‘ social media strategy goes wrong, berichtet MSN Money über eine Kampagne, die total vertrollt endete) und die „Love Ville“ Bologna auf der anderen Seite (Durex kürt Bologna zur „Loveville“: Wie man clever Kondome vermarktet) machen die Marke zu einer ziemlich unübersichtlichen Spielwiese für Werbeagenturen. Nun ja, Durex kann sich’s leisten – und offenbar steckt man das Geld lieber in Werbung als in bessere Ware (seit Jahren hat Durex noch keinen Nachfolgeproduzenten oder -produkt für die Avanti Ultima gefunden…). Ich würde mich nicht wundern, wenn die Kunden irgendwann entdecken, dass Durex-Kondome eigentlich nichts besonderes sind, sondern auch oft nur vom preiswertesten Dritt-Anbieter gefertigte Auftragsware, die zu überhöhten Preisen vertickt wird. Aber egal – es gibt ja genügend Alternativen.

Kontroversen, Künstler und Kondomfabriken

In der Thüringer Landeszeitung („tlz“) ist man über den Unterscheid zwischen einem Verwaltungsgebäude und einer Fabrikhalle wohl nicht so ganz im Bilde – oder (aber das will ich natürlich nicht unterstellen) man tut absichtlich so, als sei das ein und dasselbe. Kontroverser Erfurter Künstler arbeitet in Kondomfabrik heißt es da schon im Titel, und diese un-glaub-liche Tatsache (die ja gar keine ist, den er arbeitet im Verwaltungsgebäude, aber egal) macht den Künstler Ronald Neumeister zu einem „kontroversen“ Künstler – wobei hier anscheinend „kontrovers“ nur benutzt wurde, weil es so schon zu „Kondomfabrik“ und „Künstler“ passt, auch wenn es sich eher um einen Auftragsmaler handelt, denn „er erfüllte jeden noch so absurden Wunsch. Vom Kapitänsbildnis bis zu heroischen Schlachten reichte das Spektrum, das er seinen Auftraggebern auch heute noch offenhält.“ Nun ja, als Inhaber einer Werbeagentur weiß er zumindest, wie man an Kundschaft kommt – es sei ihm gegönnt. Vielleicht nützt es ja mal was.

Dass er zu einem der gefragtesten Künstler in Erfurt wurde, sorgte später die Parteileitung des Kombinates Mikroelektronik, die sich mit seinem Stil nicht mehr einverstanden erklärte und ihn nötigte, eine Kündigung zu unterschreiben. Danach wollte die halbe Stadt Bilder mit seinem Kürzel. „Ich habe gemalt, bis mir die Sehnenscheide entzündete…“.

Äh… ja. OK. So muss das wohl funktioniert haben im Sozialismus. Ihr werdet es schon wissen, liebe Redakteure.
Aber das Beste ist dieser Satz (über die Stadt Eisleben, Kreis Mansfelder Land): „ jeder Mensch dort sei ein Modell, vom Leben geprägt, echt und fotogen„. Wow. Wom Leben geprägte Echtmenschen, mitten in Eisleben. Hallelujah.