Was kostet ein Kondom auf Kuba?

Der Kurier weiß es ganz genau:

Der Preis für ein Kondom kann dort nun so hoch sein wie das Durchschnittsgehalt eines kubanischen Arbeiters.

kondompreiskuba

Wow.
Da wollte ich schon anfangen zu schauen, wie man am schnellsten Kondome nach Kuba exportieren kann – bei diesen Verdienstmöglichkeiten!
Aber nein. Die vom Kurier verschämt zitierte Quelle, der Guardian, setzt das Ganze in ein etwas anderes Licht:

The price of a single condom has risen from just pennies to about $1.30, a day’s wages for a typical Cuban worker.

Nun ja. Tagesgehalt umgerechnet in Dollar (was bei nicht konvertierbaren Währungen zwar nicht ganz aufgeht, aber egal). „Durchschnittsgehalt“ klingt eben – auch wenn es natürlich nicht gesagt wird – nach Monatsgehalt, und das ist natürlich eine passende Meldung für den Kurier.
Sachlich gesehen ist es einfach so: wenn von den subventionierten Billiggummis aus China eben nicht mehr genug da sind, bewegt sich der Preis eben nach oben. Und 1 Euro pro Kondom ist nun zwar nicht gerade billig, aber durchaus noch vertretbar. Für hiesige Verhältnisse jedenfalls.

Was mir eher die Augenbrauen nach oben treibt, ist dieser Absatz:

He said Ensume had struggled to keep up with a ruling by the state’s regulatory medical agency Cecmed two years ago that the 2012 expiration date on millions of condoms imported from China was incorrect and that the packages had to be relabelled 2014.
Gonzalez said the workers could only repackage 1,440 strips of three condoms per day while the demand in Villa Clara province alone was 5,000 daily.

Haltbarkeit per Dekret verlängern? Wenn da ein falsches Datum draufsteht, muss der Hersteller das zurücknehmen und korrekt gelabelte Ware liefern. Das ist auch in China nicht anders. Und selbst wenn: 1440 Dreierstreifen am Tag? Wieviel Leute beschäftigen die da? Einen? Selbst der eine würde in einem Jahr 1 Million Kondome schaffen, wenn wir die angegebene Menge mal ernst nehmen…

Leiht mir doch mal die Flühüüüügel

In den letzten Tagen haben niederländischen Kollegen von Wingman mal wieder für ein Rascheln im virtuellen Blätterwald gesorgt; offenbar bombardiert ihre PR-Abteilung gnadenlos alle Presseportale und Nachrichtenagenturen mit der super-duper neuen Erfindung des Einhandkondoms – das zwar schon seit mindestens zwei Jahren im Handel ist (aber wer fragt schon nach Details) und das man übrigens mit zwei Händen viel bequemer, aber immer noch umständlicher als ein Pronto-Kondom bedienen kann (oder besser „sollte“, denn um das einhändig hinzukriegen, muss man schon eine Weile üben und eine hohe Frusttoleranz haben).
Dabei ist der Wingman nicht mal unbedingt als echtes Einhandkondom konzipiert – denn bevor man ihn, wie in diversen Werbevideos schön gezeigt, mit einer Hand überstreifen kann, muss man ihn erst mal aus der Siegelfolie rauskriegen, und das geht auch beim Wingman nur mit zwei Händen. Tja, Pech für alle wirklich einarmigen Kondomnutzer, die sich jetzt ziemlich verarscht vorkommen dürften.
Dabei gibt es Designideen für echte Einhandkondome schon länger als den Wingman – nur produzieren will sowas niemand. Einarmige haben eben keine Lobby.

Schmiermittel? Brechmittel!

Wenn ich nicht schon genug graue Haare hätte, würde ich mir gerne noch welche wachsen lassen – angesichts solcher journalistischen Feinarbeit:

Traditionell wurde bei der Produktion von Kondomen die Zugabe von Casein, ein Protein aus Tiermilch verwendet, das als Schmiermittel wirkt.

Hier weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll… bei der Grammatik vielleicht?
-> richtig grammatisch korrekt wäre „von Casein, einem Protein aus Tiermilch, verwendet“
… oder bei der Semantik?
-> Entweder gibt man etwas zu, oder es wird verwendet.
… oder bei seltsamen Ausdrücken wie „Tiermilch“?
-> Im Normalfall bezeichnet man Kaseine allgemein als Milchproteine, konkret handelt es sich um Kuhmilch.
… oder bei Begriffen aus der falschen Branche, wie „Schmiermittel“?
-> Das, was man herstellerseitig auf Kondome drauf“schmiert“, nenn man Gleitmittel oder schlicht „Beschichtung“.

Egal. Absehen davon ist die Information schlicht falsch und irreführend. Viele Hersteller verwenden in der Tat noch Kaseine, aber diese werden nicht zugegeben (dann müssten sie auch deklariert werden), sondern nur – neben vielen anderen Dingen – als Hilfsstoff verwendet (sind also im fertigen Kondom höchstens noch als unausgefilterter Restbestand in mikroskopischer Menge enthalten), und Kasein dient auch nicht als Schmiermittel, sondern ist ein Hilfsstoff, um aus dem zähflüssigen Saft des Gummibaums (Latex) ein elastisches, dünnes Material (Gummi) herzustellen, aus dem man dann (unter anderem) Kondome machen kann. Oder Luftballons. Oder Handschuhe….

Kondome, bei deren Herstellung auf Kaseine verzichtet wird, gibt es auch, aber nicht viele. Aber hej, wer fragt schon nach korrekten Informationen, wenn man so unausgegorenen Quatsch zusammen mit einem Symbolfoto als Aufhänger für kistenweise Werbeanzeigen verwenden kann. Ach so, die Quelle: Yahoo! Finance, eine Hochburg des Qualitätsjournalismus.

Traditionell wird bei der Produktion von solchen Meldungen eine übergroße Portion Halbwissen eingesetzt, das bei mir als Brechmittel wirkt.

Social Sex

Daumen runterWillkommen in der Welt der Wissenschaft (oder so). „Der Kondom-Hersteller Durex gibt überraschende Studien-Ergebnisse bekannt: Demnach überprüfen gut fünf Prozent der Smartphone-User während des Liebesspiels Facebook, zwölf Prozent telefonieren“, meldete gestern der FOCUS und bot damit wiedermal ein typisches Beispiel für den investigativen Journalismus, den dieses Blättle auszeichnet.
Ungeachtet der Tatsachen, dass Durex kein Kondom-Hersteller ist (Durex ist eine Marke, Hersteller wäre Reckitt-Benckiser als Markeneigentümer) und das Ganze natürlich auch keine Studie (und mal ganz außen vor gelassen, dass der Einzige, der Facebook „überprüfen“ könnte, der Bundesdatenschutzbeauftragte wäre), und wird zumindest mal eine Quelle für diese (schlampig übersetzte) Meldung angegeben – nämlich CNET, wo die Studie schon zu einer Umfrage geschrumpft ist und als Quelle lediglich auf eine Pressemeldung von Durex verwiesen wird, die (wörtlich!) in mehr als 40 „Nachrichten“-Portalen wiedergekäut wird (Stand gestern abend; heute werden es noch mehr sein).
Weder bei Durex selbst noch beim benannten Umfragedurchführer OnePoll finden sich jedoch Hinweise auf diese Umfrage, so dass wir weder wissen, wieviele Leute befragt wurden noch wann das Ganze stattfand. Hmnja. Mehr als

A recent poll for Durex (OnePoll) on the UK’s sex life revealed shocking statistics including 12% of people had answered a phone during sex, one in ten had read a text and over 5% of respondents had even checked Facebook while making love.

ist nirgendwo zu finden.
Was sagt uns das also? Wiedermal eine typische Luftnummer; billige Effekthascherei. Offenbar wird bei Durex das Geld für richtiges Marketing langsam knapp…