Allet Jute

Ach, wenn es doch nur so einfach wäre mit der Satire – gerade wenn die EU-Brüssokratie eine Steilvorlage nach der anderen liefert, gäbe es doch nun genug Dinge, die man durch den Kakao ziehen könnte (in der Einweg-Plastiktasse, selbstverständlich, solange es noch geht, und am besten mit Wattestäbchen noch mal umrühren). Aber dass Satire manchmal nur noch peinlich ist, beweist heute das „Glasauge“, nach eigenen Angaben DAS SATIREMAGAZIN DER WELT (OK, kann man auch durchaus selbstsatirisch verstehen):

Aufgrund des geplanten Plastikverbots in der EU gilt beim Liebesspiel eine neue Verordnung: Kondome müssen wiederverwendbar und aus organischen Materialien sein.

Haaaaa haaaaaa haaaaaa (So auf Faultier-Art, wie in dem Trickfilm, wissenschon).
Nichts am normalen Kondom ist aus Plastik (außer der Einsiegelung der Umverpackung der Siegelfolien, Sie wissen schon, Verpackungsqual dritten Grades und so). Kondome sind aus organischen Materialien (zumindest war Latex, als ich das letzte Mal ins Lehrbuch geschaut habe, noch organisch. Künstliche Gummibäume aus Plastik gibts vielleicht beim Homedesigner, aber nicht in der Gummifabrik), und sie sind (zumindest prinzipiell) wiederverwendbar (dass man das aus gewissen Gründen nicht machen SOLL, weswegen es auch groß auf jeder Packung draufstehen muss, ist was anderes und – obwohl auch EU-Regelung – zweifellos auch sinnvoll, sofern man nicht weitab in Afrika wohnt, wo in einigen Gegenden aus Mangel und Not Kondome tatsächlich mehrfach verwendet werden, zumindest solange Afrika noch nicht in der EU ist).

Spätestens neun Monate nach der neuen Kondomverordnung werden viele EU-Bürger feststellen, wohin Konsum ohne Sinn und Verstand führt, und womöglich mehr auf wiederverwendbare Sexualpartner setzen.

Haaaaa haaaaaa haaaaaa. Echt mal jetzt.

Stoppt die globale Erwärmung! Benutzt Kondome!

Na das wäre doch mal DAS ultimative Pro-Kondom-Argument, insbesondere für Leute, die von anderen gern „linksgrünversiffte Gutmenschen“ (googelt mal, ist lustig) genannt werden. Wie ich darauf komme? Ich war gestern ja seit längerer Zeit mal wieder twittern und fand das hier:
Sowas macht mich natürlich sofort mehr als neugierig, so dass ich natürlich voller Vorfreude den Link anklickte. Ich landete, wie ja eigentlich nicht anders zu erwarten, auf einer Wir-sind-ja-so-toll-Seite (vulgo: landing page) zugunsten des Onlinehändlers Lucky Bloke, wo ich dann nach heftigen Scrollversuchen und der widerspenstigen Lektüre von 697 (ich habs gezählt!) Worten Werbung folgenden Satz fand:

After all, fewer unintended pregnancies means a smaller population, which in turn means less poverty and even reduced greenhouse gas emissions.

Captain Obvious hatte wieder einmal zugeschlagen! Aber natürlich kann man auch das noch ausführlicher erklären – es ließ sich nämlich noch weiterklicken, und zwar zu einem Beitrag im Salon vom letzten Sommer(loch), der aber auch nur einen gekürzten Auszug aus “Drawdown: The Most Comprehensive Plan Ever Proposed to Reverse Global Warming.” (Hrsg. Paul Hawken, Penguin Books 2017) darstellt.

Nun ja. Hindert die (armen) Leute daran, sich fortzupflanzen, und alles wird gut.
Nicht.

Mittwoch ist Schwurbeltag

Ich bin gerade über eine Seite gestolpert (kommt ja öfter mal vor, sowas). Lauter medizinische und Medizin-affine Themen, viel Text. Unter anderem einer mit dem Titel „Was ist ein Kondom?“. Gute Frage, dachte ich, man sollte ja mal wieder zu den Basics zurückkommen; man setzt ja immer voraus, dass alle Leute wissen, was ein Kondom ist – was aber, wenn jemand das tatsächlich nicht weiß?
Lesen wir also mal in diesem Artikel (Ihr müsst da nicht hin, und wenn doch, dann macht vorher den Adblocker an, da ist haufenweise Werbung dazwischen):

Ein Kondom ist eine Hülle aus Latex, Polyurethan, Polyisopren oder Lammfell.

Lammfell, soso. Kuschelkondome, oder was? Echt jetzt? Ach nee, doch nicht:

Lammfell-Kondome werden aus Schafdarm hergestellt

Jaaa soo. Alles klar, Liegt ja auch auf der Hand. Schaf = Lamm und Fell = Darm. (Gemeint sind sicherlich diese; andere gibt es von dieser Art nicht)

Trockene Kondome sind vorhanden, aber geschmierte Kondome machen oft sexuelle Aktivität für beide Partner bequemer.

Klar. Läuft ja dann wie geschmiert. 🙂

Die Weltgesundheitsorganisation hat die Voraussetzungen für die Kondomqualität empfohlen, die viele Länder folgen.

Äh… nein. Es ist nicht wie WHO, sondern die ISO, und sie hat nichts empfohlen, sondern festgelegt, und zwar nicht die Voraussetzungen für die Qualität, sondern die Mindestanforderungen an die Qualität. Aber sonst, ja, im Prinzip schon, durchaus, wie der Sender Jerewan melden würde.

Weibliche und männliche Kondome sollten nicht gleichzeitig verwendet werden.

Nee, nicht dass die sich dann noch fortpflanzen. Geht ja gar nicht. (Es heißt „Kondome für Männer“ und „Kondome für Frauen“ bzw. „Frauenkondome“. Das Kondom als solches ist immer sächlich, es kann sich also nicht fortpflanzen, sondern muss nachgekauft werden.)

Kondome, die das Spermizid Nonoxynol-9 enthalten, werden nicht für Paare empfohlen, die Kondome für irgendetwas anderes als Schutz gegen Schwangerschaft verwenden, weil die Chemikalie das Risiko der HIV-Verringerung erhöhen kann.

Muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Also nicht das Spermizid, sondern die Aussage. Es erhöht das Risiko, dass HIV sich verringert. Risiko. Die Leute würden jubeln und nur noch spermizide Kondome kaufen, wenn das so wäre (Gibt ja nicht mehr viele, Amazon hat beispielsweise nur noch diese).

Ceterum censeo:

Es ist auch wichtig, Kondome richtig zu setzen, je nach den Anweisungen, um ihre Wirksamkeit zu erhöhen, welche Studien von 85 bis 98 Prozent, je nach Marke und wenn sie richtig verwendet werden.

Da verließen sie ihn dann wohl.

„Erster!“, ruft der Letzte

Und wieder hat einer den Schuss nicht gehört. Denn, man höre und staune, es gibt nun

Johoho, und ’ne Buddel voll Rum. Mehr als ein Jahrzehnt gibt es hierzulande schon vegane Kondome (ja, auch in Österreich, lieber „Journalist“ Manfred Sax vom Wiener) – was natürlich niemanden daran hindert, das Gegenteil zu behaupten. Zumindest in der Überschrift (im Artikel ist vom „ersten“ veganen Kondom keine Rede mehr), was das ganze dann natürlich – wie erwartet – zu einem lahmen Clickbait abqualifiziert, denn eigentlich ist so ein einzelnes, einfaches, simples Kondom nun wirklich keine Nachricht wert.
Es geht um HANX (Produktmerkmale: „100% natural, Fair trade, Vegan-friendly, Clean scented, Ultra-thin, transparent, smooth, contoured, lubricated and 52 mm Nominal Width“), ein simples Kondom in einer Dreierpackung, aber „the world’s only luxurious condom designed by women for women […] designed to empower women […] condoms that women are proud to be seen with and carry.“

Man kanns auch übertreiben.