Und noch einmal: Kondome mit Überziehhilfe sind NICHT neu. Im Gegenteil.

María Ángeles Machuca demonstrates how to use the newly-patented condom in Spain. Photo: EFE
María Ángeles Machuca demonstrates how to use the newly-patented condom in Spain. Photo: EFE
Eine grandiose Meldung bei Shortnews (gekürzt übernommen von EITB.com, hier):
„María Ángeles Machuca, eine Geschäftsfrau aus Sevilla in Spanien, hat jetzt ein Kondom entwickelt, das leichter überzuziehen ist“, heißt es dort. Und – welch Wunder! – das Kondom sei „mit zwei Streifen versehen, die sich leicht entfernen lassen.“ Cool. Das wievielte Mal wurde dieses Rad nun neu erfunden? Ich hatte erst letzten Monat über einen ähnlichen „Erfinder“ berichtet, der genau wie Frau Machuca anscheinend keine Ahnung hat, dass es diese Produkte bereits seit etlichen Jahren gibt. „Die Erfindung“, heißt es bei Shortnews weiter, sei somit „für Menschen geeignet, die blind sind oder dazu neigen, während des Geschlechtsverkehrs nervös zu werden.“ Liebe Leute: Auch sehende Menschen streifen sich ihr Kondom üblicherweise „blind“ über. So kompliziert ist das ja nun nicht. Und Leute mit Bäuchlein, wie ich (ähem) haben ohnehin nicht den richtigen Blickwinkel…
Aber egal. Gönnen wir Frau Machuca ihre Erfindung und Shortnews die Meldung (die sicher bald überall wiedergekäut werden wird). Denn der Hammer ist der letzte Satz:

Machuca hat drei Jahren an dem Design des Kondoms gearbeitet und musste gegen harte Konkurrenz aus USA und China bestehen.

Ja. Wer drei Jahre braucht, etwas zu erfinden, was es bereits gibt, sollte definitiv ausgezeichnet werden. Liebe Frau Machuca, ich hätte da noch etliche Ideen, die wieder einmal erfunden werden könnten…

Kondome mit Überziehhilfe sind NICHT neu. Im Gegenteil.

Da hat wieder mal jemand die gut geölte Pressemaschine angeworfen und „sensationelle“ Neuigkeiten zu verkünden – endlich gäbe es nun Kondome, die man dank einer aus zwei Abziehstreifen bestehenden Überziehhilfe schnell und hygienisch anlegen könne, ohne dass einem die Lust auf den Sex verginge. Seit drei Tagen rollt diese halb falsche, halb richtige Informatione nun ungebremst durchs Netz, und bis jetzt hat niemand, der sie so mit weiter verbreitet hat, auch nur mal nachgeguckt, ob das denn wirklich alles so neu und einmalig ist.
Die erste mir bekannte Meldung kam von AD.NL, wurde dann von DNews aufgegriffen und verbreitet sich nun, im wesentlichen mit folgendem Inhalt (wie hier bei Blackbeats.fm:

In Miami hat der Amerikaner Beau Thompson das effektivste Kondom der Welt entwickelt. Dieses Kondom verfügt nämlich über Griffe. (…) Mit den Griffen soll man das Kondom schneller überziehn können und es soll verhindern, dass einem die Lust auf Sex nicht vergeht. (…) Außerdem soll es zudem auch noch verhindern, dass das Kondom eventuell falsch übergerollt wird.

Ja. Das wäre alles ganz toll, wenn er das wirklich erfunden hätte. Hat er aber nicht.
Seit Jahren gibt es beispielsweise in Japan Sagami Quick mit dem praktischen Abziehbändchen; auch in Europa haben wir solche Gummis schon lange; die Franzosen haben’s entwickelt (wer sonst), nämlich Protex PullOn. Das Ganze gibt es natürlich auch mit zwei Bändchen (links und rechts) einschließlich Markierung für die richtige Seite, nämlich bei den aus Kolumbien stammenden Unique-Kondomen. Und ich bin sicher, wenn ich mal ein paar Fachhändler fragen würde, die sich auf dem internationalen Markt besser auskennen, gäbe es da durchaus noch das eine oder andere.
Vielleicht sollten wir den Journalismus zugunsten der Pressemitteilungen abschaffen. Da kriegt man alles so schön vorgekaut….

Reduce – Reuse – Recycle

Ja, Grün und Bio ist angesagt, immer schon, und Öko sowieso, Fair Trade kommt auch gut, natürlich. Gibt’s alles natürlich auch à la Kondom. Grüne Kondome gibt’s schon länger, Fair-Trade-Kondome stehen (zumindest in England) schon in vielen Supermärkten; „bio“ wird man kaum kriegen, derweil die Latexgewinnung in den Herstellerländern noch nichts vom deutschen Bio-Siegel gehört hat (aber man darf ja noch hoffen).
reduce - reuse - recycleWas natürlich jetzt ganz hammermäßig gut ankommt, sind Kondome, die unter dem Slogan „Reduce – Reuse – Recycle“ auf einer Schweizer Website zu finden sind. „Reduce“ mag ja noch angehen, schließlich kommen die mit der am meisten „reduzierten“ Größe (45mm) ja von dort (DIE gibts nun dort aber ausgerechnet nicht…). Aber mit „Reuse“ (wiederverwenden) und „Recycle“ habe ich in Bezug auf Kondome so meine Probleme, auch wenn die dort angebotenen French Letter-Kondome als Öko-Design gefeiert werden.
(„French Letter“ sind übrigens nichts anderes als die von einer kleinen, aber feinen Kölner Firma hergestellten „Lümmeltüten“, nur eben mit einer für den englischen Markt angepassten Verpackung)
Na ja, Prost Schweizer. Viel Spaß noch beim Recyclen und Reusen von Kondomen. Geht’s Euch schon so schlecht?

Studie, die zweite: Und die Schweden?

Es ist Studien-Zeit in Europa, wie es scheint. Aus dem Schwedenforum erfuhr ich heute, dass (laut Radio Schweden) auch junge Schweden nicht unbedingt Kondomfreunde sind:

SchwedenDas Kondom spielt im Sexualleben junger Schweden eine sehr geringe Rolle. Dies belegt die bisher größte schwedische Studie zu den Sex-Gewohnheiten junger Menschen. Nur drei von zehn der Befragten nutzten demnach bei ihrem letzten sexuellen Kontakt ein Kondom. Dessen Schutzfunktion wird also grob unterschätzt – mit teils schwerwiegenden Folgen.
Insgesamt 15.000 junge Menschen zwischen 15 und 29 Jahren haben die Wissenschaftler im Rahmen der Studie befragt. Unter Federführung des Instituts für Seuchenschutz geht es dem Forscherteam vor allem um wirksame Strategien zur Vorbeugung sexuell übertragbarer Krankheiten wie auch unerwünschter Schwangerschaften. (…) 60 Prozent der Befragten gaben an, auf ein Kondom zu verzichten, da die Frau ja bereits mit Pille oder Spirale „vorgesorgt“ habe.

Für alle Schweden, die sich jetzt schämen und doch mal ein Kondom probieren wollen: beim schwedischen Kondomkönig gibts eine (für schwedische Verhältnisse) reichhaltige Auswahl.