Die Chinesen sind schuld

In den letzten Tagen konnte man wieder einmal eine ziemlich typische „Stille Post“-Geschichte mitlesen. Schlagzeilen wie „Südafrikaner wollen keine chinesischen Kondome“, „Chinesische Kondome für Südafrikaner zu klein“, „Gericht hat entschieden: China-Kondome für Südafrikaner zu klein“ und ähnliche sind das total verquere Ergebnis der schludrigen Kürzung eines eigentlich ganz normalen Vorkommnisses (na ja, normal sollte es vielleicht nicht sein, aber es kommt halt immer wieder vor) – es geht nämlich eigentlich darum, dass eine chinesische Firma den Zuschlag für eine Ausschreibung bekommen hat, obwohl sie ihn – wenn alles ordentlich gelaufen wäre – nie hätte bekommen dürfen. DAS ist die eigentliche Schlagzeile in Südafrika gewesen: es ging um die Auftragsmauschelei, nicht um die Kondomgröße und auch nicht um „die Chinesen“.
Eine gute Zusammenfassung findet sich auf IOL.co.za:

Millions of female condoms, which were not approved by the World Health Organisation (WHO), were destined to be distributed by the Department of Health after the government wrongly approved a tender for the condoms.
In a judgment delivered by the Pretoria High Court on Thursday, it emerged that the female condom – of which at least six million were to be distributed – was manufactured in China from polyurethane and not the required nitrile latex. (…) Siqamba Medical was awarded the contract to supply 11 million female condoms at R5.74 each, bearing the brand name “Phoenurse”. But the court was told that this product did not have WHO approval and was 20 percent smaller in diameter than the applicant’s condom.

„Die Chinesen“ – also die Firma Siqamba Medical – haben „den Südafrikanern“ also Sachen geliefert, die sie gar nicht bestellt hatten. „Kondome“ ist im Prinzip ja richtig, wie Sender Jeriwan melden würde, aber es waren eben Femidome, und die gibt es nun mal (wie „normale“ Kondome auch) in verschiedenen Ausführungen. Und was für Chinesinnen Standard ist, ist für Südafrikanerinnen etwas zu klein. Man hat also erstens die Ausschreibung versaut, und dann auch noch beim Bestellen geschlampt – Standard wurde bestellt, Standard wurde geliefert…
Ein typischer Fall von „Gier frisst Hirn“ auf beiden Seiten, und zusammen mit der bald schon normalen journalistischen Fehlleistung beim Verstehen und Umsetzen fremdsprachiger Meldungen kommt dann eben nur tendenziöser Schwachsinn raus. (Ja, Leute, auch Englisch ist eine eigene Sprache, und man muss sie lernen, um sie zu verstehen!)

Neuseeland: Sex-Branche verdoppelt Kondomvorrat

So titelte die einschlägig bekannte Schweizer Boulevardzeitung Blick.ch in ihrer Onlineausgabe gestern.

Das horizontale Gewerbe in Neuseeland rüstet für die Rugby-WM massiv auf. Rund 3500 Prostituierte sollen sich um die Bedürfnisse der (männlichen) Fans kümmern. (…) Um für den Ansturm gerüstet zu sein, hat die neuseeländische Sex-Branche reagiert und die Kondom-Vorräte gleich mal verdoppelt.

Nun ist das ein sehr interessantes Statement. Aus dem Artikel (in dem nur eine einzieg Bordellbetreiberin zu Worte kommt) geht sonst nichts weiter dazu hervor – es ist ein Satz, so in den Raum bzw. ins Publikum geworfen, als wäre es der Weisheit letzter Schluss. Nur: Wen meint der BLICK mit „die neuseeländische Sex-Branche“? Nur die Bordelle? Die haben immer ausreichend Gummis am Lager, eine Verdoppelung der Vorräte bringt da gar nichts. Die freischaffenden horizontalen Damen? Haben auch immer genügend dabei, selbst für Hochfrequenzbetrieb, um es mal so auszudrücken. Sex-Shops? Die brauchen ja nicht, denn die Gummis sind ja schon in den Bordellen… Alles sehr seltsam.
Und warum nun ausgerechnet Rugby-Fans den Kondomverbauch in die Höhe treiben sollen, erschließt sich auch nicht.
Auch die Zahlen geben nichts her. Von 100.000 Fans spricht der BLICK, die erwartet werden. Für einen Zeitraum von 6 Wochen. Wenn diese paar Leute (von denen der Großteil ohnehin aus Neuseeland bzw. Australien sein wird) eine Verdoppelung des Kondomverbrauchs in Neuseeland (mit 4,5 Mio Einwohnern) bewirken könnten, dann muss es dort in Sachen Sex ja wirklich jämmerlich aussehen…

3000 Kondome verstopfen Abwasserleitung

Wie DemeraraWaves heute meldet, haben 3000 Kondome zu einer Verstopfung der Abwasserleitungen in Alberttown (USA) geführt.

“The sewage was practically gushing,” Sanitation Supervisor Wayne Langford is reported as saying. “Immediately we noticed a number of articles including clothes, concrete, and a significant amount of condoms amongst the sewage. (…) We were fortunate enough to locate the huge blockage below Sixth and Light Streets before sunset,” he said, adding that “it was then that we noticed an enormous amount of condoms which clogged the system. (…) The debris was so large in number that the entire team was called in to remove the massive amount of condoms – my team counted over 3000,” stated Langford. “Even the residents looking on were stunned to see the amount of condoms found in the blockage.”

Das ist in der Tat rätselhaft – denn man muss sich das mal praktisch vorstellen. 3000 benutzte (?) Kondome an einer einzigen Stelle im Abwassersystem – wobei fairerweise davon auszugehen ist, dass es unzählige mehr geben muss, die ordentlich (also via Haumüll) entsorgt wurden. Was sagt uns das über die Bewohner dieses Stadtteils?

Nivea-Kondome. Natürlich mit Gleitcreme.

Bild © B. Rehbein
Hehe. Hätte es geben können, jawohl. Gibt es aber nicht.
Im Jahre 2003 veröffentlichte Benedict Rehbein, damals Student an der Universität Leipzig, im Rahmen der Seminarreihe „Kommunikation als Wertschöpfungsfaktor“ eine Fallstudie mit dem Titel „Die Marke Nivea und Kondome – eine PR-Strategie zur erfolgreichen Markendehnung“ (PDF), aus der auch die nebenstehende Abbildung stammt:

Die Marke Nivea – weltbekannt und global agierend – hat sich auf die Gesundheit spezialisiert und die Pflege des Körpers als Erkennungszeichen auserkoren. Das Essay handelt von der Problemstellung, diese Marke in gewisse Segmente zu dehnen: Was, wenn Niveau auch Kondome anbieten wollte?
Im Essay wird eine mögliche PR-Strategie für Nivea behandelt, die eine Ausdehung der Produktpalette auf Kondome ermöglichen soll, ohne damit Kunden zu verprellen oder die Dachmarke zu schädigen. Anhand klarer Beispiele und Anschauungsmaterialien wird die Vorgehensweise verdeutlicht – eine erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit in Kooperation mit sinnhaftem Marketing. So könnten die Kondome von „Nivea Secure“ Erfolg haben.

Bei Nivea hat man diesen interessanten Ansatz wohl nicht ernst genommen; schade eigentlich. Besonders für Herrn Rehbein, der für diese Idee – bei Umsetzung – wohl gutes Geld hätte bekommen müssen. Obwohl: Die Beiersdorf AG (Hersteller von Nivea) produziert und vertreibt ja tatsächlich Kondome. Und das tatsächlich unter einer Marke, die eigentlich für etwas ganz anderes steht – Hansaplast! Diese Kondome gibt es allerdings nur in Frankreich; in Deutschland will man damit nicht auf den Markt. Ob man fürchtet, die Kundschaft hierzulande würde diese Sorte boykottieren, aus Angst, dass die Gummis genau wie die Pflaster einfach zu gut kleben?