Der erfolgreiche Kampf der Kirche gegen AIDS

Ja, Ihr habt richtig gelesen. Die Überschrift ist allerdings ein Zitat, und zwar aus einem Artikel auf Kath-Info, dem „Portal zur katholischen Geisteswelt“. Dort ist man nicht eben zurückhaltend, sondern ereifert sich – wie schon meine Lieblingskatholiken auf Kath.net – beispielsweise gegen „die tödliche Kontraproduktivität der Kondompropraganda“ und „die verheimlichten Gefahren von Kondomen“. Natürlich geht es, wie immer, um die in den Augen der Verfasser moralisch höherwertigen Mittel gegen AIDS – nämlich Enthaltsamkeit und Keuschheit. Kurz: No Sex, No AIDS.
Damit habe ich grundsätzlich kein Problem; der Zusammenhang ist griffig, und wenn man den Sex halt einfach sein lässt, fällt natürlich auch eine der Hauptquellen für eine HIV-Infektion weg. Die Rate der Autounfälle würde im Übrigen auch drastisch sinken, wenn man das Autofahren sein ließe – und dadurch würden (zumindest in Deutschland) sicher deutlich mehr Menschen vor dem sicheren Tod gerettet (ich habe die aktuellen Zahlen gerade nicht vorliegen, bin mir aber ziemlich sicher, dass es bei uns weit mehr Kraftverkehrstote als Geschlechtsverkehrstote gibt).

Besonders unangenehm wird es allerdings in meinen Augen, wenn jemand – wie beispielsweise der Verfasser dieses Artikels, ein gewisser René Josef Chiong Bullecer – sich nicht mehr alleine auf seine religiösen Prinzipien beruft (die ihm sicher keiner nehmen will), sondern sich gleichzig in der Mentalität eines Staubsaugervertreters übt und als Halbgott in Weiß auftritt:

Und so bin ich seit 17 Jahren im ganzen Land unterwegs, von einer Stadt, von einer Insel zur anderen – und die Philippinen haben bekanntlich 7.100 Inseln bei Flut und um 1000 mehr bei Ebbe. Da spreche ich über die tatsächlichen Gefahren von Aids und die verheimlichten Gefahren von Kondomen. Ich verkünde die Botschaft „Laßt uns gegen Aids kämpfen“ und verkaufe dabei ein Produkt: Abstinenz. Meinen Zuhörern sage ich: „Vertraut mir, ich bin Arzt.“

Einen Kondomverkäufer, der seine Kunden auf eine derart niederträchtige Weise zum Kauf seiner Produkte drängt, habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht getroffen.

Die Chinesen kommen

Die Frankfurter Rundschau wusste heute Erstaunliches zu berichten:

Mehr als 1,3 Milliarden Menschen leben in China, und die sollen – so will es der Staat – möglichst wenige Kinder bekommen. Ein perfekter Markt für den größten einheimischen Kondom-Hersteller, sollte man meinen. Doch offenbar nicht perfekt genug: Der chinesische Kondom-Hersteller Safedom sucht europäische Investoren oder Neuerwerbungen, um den internationalen Markt zu erobern, berichtet die britische Financial Times.

Na, wenn das nicht mal eine meldenswerte Meldung ist. Insbesondere, da eine nicht unbeträchtliche Zahl von „europäischen“ Kondomen bereits in China gefertigt werden – allerdings eben nicht von Safedom. Da liegt nämlich der Hase im Pfeffer: Es ist nicht so, dass der einheimische Markt nicht gut genug wäre – nein, die einheimische Konkurrenz erwirbt als Auftragsfertiger für westliche Marken internationales Renommée, und das wurmt die „Zurückgebliebenen“ von Safedom. Interessant ist allerdings folgender Absatz:

Dagegen ist Safedom, 2006 im chinesischen Yantai gegründet, bisher ausschließlich auf dem chinesischen Markt vertreten – allerdings mit Stückzahlen im dreistelligen Millionenbereich. Deshalb produziert das Unternehmen bisher auch überwiegend Kondome für Frauen, auch Femidome genannt, die in China als Verhütungsmethode weit verbreitet sind. Dabei arbeitet Safedom eng mit den chinesischen Behörden zusammen. An der Entwicklung der Produkte ist die Nationale Kommission für Bevölkerung und Familienplanung beteiligt.

Durex, nach eigenem Bekunden Weltmarktführer bei Kondomen, gibt sich „gelassen“; noch, so scheint es, ist die Position der Marke unangefochten. Ob sich das aber gerade jetzt angesichts der derzeitigen Lieferschwierigkeiten (manche Durex-Produkte sind seit Monaten nirgendwo mehr zu kriegen, bei manchen wird von weiteren mehreren Monaten ausgegangen, bevor sie wieder lieferbar wären) auf Dauer so aufrecht erhalten lässt, ist zumindest fraglich. Dass ausgerechnet jetzt, wo Durex wackelt, die Mitbewerber um einen besseren Platz auf dem Weltmarkt buhlen, kommt nicht von ungefähr.

Moschus? Pilze? Lachs?

Gibt es eigentlich irgendeinen sachlichen Grund, warum es Kondome nicht mal mit etwas ungewöhnlicheren Aromen geben sollte? Das aufdringliche Standard-Erdbeer-Aroma aus der Chemieküche hängt einem ja mittlerweile buchstäblich zum Halse hinaus. Die übliche Früchtepalette wirkt ja auch schon ziemlich abgelutscht (pardon the pun) – also Banane, Tutti-Frutti und wie sie alle heißen. Pfefferminze, Lakritze und Schokolade decken als Ergänzung zum Obst die Süßigkeitenecke ab, und das war’s dann auch schon. Zum Gähnen langweilig. Und dann stößt man unverhofft auf so einen Text:

Es ist lecker-braun und riecht nach Moschuchs-Ochse. Oder dezent beige wie Steppengras. Wer Glueck hat, kriegt den Gummi-Űberzieher in Pink, Geschmacksrichtung: Arktischer Lachs. Besonders gefragt sind die Aromen von Rentierfell und wilden Pilzen.
Ausgefallene Kondome sind in Mode. Speziell für die Eskimo-Olympiade im kanadischen Iqaluit wurden jetzt fünf neue Geschmacks- und Farbrichtungen auf den Markt gebracht. (Herbert Bopp, Inside Canada)

Oh, da läuft einem ja das Wasser im Munde zusammen. Doch dann kommt unten, am Ende des Artikels, die Ernüchterung in Form des Veröffentlichungdatums: März 2002. Offensichtlich haben sich die innovativen Geschmacksrichtungen auch in Kanada nicht durchsetzen können. Schade. Da hat es wohl auch keinen Zweck, hierzulande typisch deutsche Aromen auf Kondome zu pinseln – etwa Sauerkraut-, Kartoffel- oder Bieraroma – oder Döner- bzw. Pizzaaroma für Kondome mit Migrationshintergund.

Immer noch Engpässe bei Durex

Ja, da hat sich der Reckitt Benckiser-Konzern wohl selbst ausgetrickst. Erst wird unter großem Tamtam die Marke Durex eingekauft, mit allem, was dazugehört: Firmen, Standorte, Verträge, Mitarbeiter. Dann werden Standorte dichtgemacht bzw. zusammengelegt (zum Beispiel mussten die Mitarbeiter aus dem Werk in Manchester alle mit nach London – doppelte Lebenshaltungskosten ohne Gehaltsausgleich…), aggressive Preisverhandlungen führen dazu, dass Vertragsproduzenten nicht mehr liefern können (oder wollen), und und und.
Und nun? Schon vor eitlichen Wochen zeichneten sich Lieferengpässe ab; die Boulevardpresse titelte dann schon Schwachsinn wie „In England werden die Kondome knapp“, „Kommt bald der nächste Babyboom?“ und ähnliches. Nein, beides passiert nicht. Nur der Marktführer Durex kommt immer mehr in Schwierigkeiten. Großpackungen für das Gesundheitswesen haben derzeit eine Vorbestellfrist von 6 – 8 Wochen, etliche Sorten sind auch für Endverbraucher derzeit fast nirgends zu bekommen.
Nun werden die Leute deswegen nicht auf Kondome verzichten – „Entweder Durex – oder 10 Kinder“ ist keine wirklich gute Werbung. Also geht man zur Konkurrenz – und die freut sich gerade wie ein Schneekönig; kleine und große Hersteller gleichermaßen.
Und ob die Verbraucher dann zu Durex zurück kommen, wenn sie einmal Besseres (und oft auch Preiswerteres) kennen?